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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 2.1884

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I. Theil: Abhandlungen
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Hartmann von Franzenshuld, Ernst: Ein höfisches Kartenspiel des XV. Jahrhunderts, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5610#0123
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Dr. Ernst Hartmann von Franzenshuld. Ein höfisches Kartenspiel des XV. Jahrhunderts.

rar, selbst wenn man den Farben unserer Karte keinen Werth beilegen will; dann aber hat man sich be-
züglich des Costüms dieser öffentlichen Functionäre so ausschliesslich an die Tracht des XVI. und XVII. Säcu-
lums geklammert, dass jede quellenmässige Vorlage aus anderer Zeit eine stilistische Bereicherung für uns
bildet. Der «Hofsneider» wäre ein sehr dankbares und nettes Sujet, aber leider ist er durch Verzeichnung
verdorben.

Die Nummer zwei enthält auf allen vier Karten recht glücklich behandelte Personen des höfischen
Gesindes. Am merkwürdigsten und auch ziemlich correct entworfen ist der deutsche Reichsbote und die
böhmische Hefnerin. Der Pfister und der Jäger wären prächtig angelegt ohne den störenden Fehlern in der
Zeichnung; beim Bäcker handelt es sich nur um den zu kurz gefassten linken ausschreitenden Fuss; alles
Andere ist musterhaft. Beim Jäger ist der Fall schlimmer; so unübertrefflich auch die beiden Hunde und
der Oberleib des Jägers hingeworfen sind, so ist doch bei Letzterem die Proportion total verfehlt; die Füsse
hatten keinen Platz mehr und mussten daher ganz wegbleiben, scheinbar hinter den Laitbracken verborgen.

Wäre der Schöpfer dieser Holzschnitte künstlerisch ebenso gut geschult gewesen als ihm natürliches
Talent und glückliche Auffassung zu Gebote stand, er hätte mit seinen 48 Karten durch Vermeidung der
Unrichtigkeiten in der Zeichnung wirklich ein ganz einziges Werk liefern können.

Die Einserreihe mit den Narren und Närrinnen ist artistisch keineswegs die schlechteste; die beiden
Musiker von Römisch Reich und Böhmen sind schon durch ihre Instrumente wichtig, der Letztere in seinem
Mönchshabitus vollendet, wenn man die etwas zu breit gezeichneten Füsse übersehen will; die Gesichter
der beiden Närrinnen zeigen einen überraschend angemessenen Ausdruck.

Charakteristisch für das vorliegende Kartenspiel ist auch der Boden, welcher den Figuren als Sub-
strat dient. Da ist geschrägt gesprenkelter Marmorgrund, oft vorne mit einem dreibogigen Abschluss der
Terrasse; ferner Ziegelboden, vorne mit einer horizontalen Abkantung, häufig auch Graswuchs oder Erd-
reich. Störend ist nur der unpassende Vorgang, den vorgedruckten Marmorboden grasgrün zu illuminiren,
wie mehrmals geschehen ist.

Hiermit beschliessen wir die Beschreibung unseres höfischen Kartenspiels mit seinen vier heraldischen
Suiten, jedenfalls des merkwürdigsten der kaiserlichen Hofsammlungen, welches, nach seiner Erhaltung zu
schliessen, wohl nie wirklich in Gebrauch genommen worden ist. Bezüglich der übrigen in Wien befind-
lichen Spiele müssen wir uns begnügen, nochmals auf die eingangs citirte gediegene Abhandlung v. Eitel-
berger's im V. Bande der Mittheilungen der k. k. Centralcommission zur Erforschung und Erhaltung der
Baudenkmale hinzuweisen, und wollen nur noch erwähnen, dass in den jüngsten Tagen zwei alte Arbeiten
dieser Gattung reproducirt worden sind, nämlich das Buchdrucker-Kartenspiel von Jost Amman aus dem

XVI. Jahrhundert, neuerdings herausgegeben von Georg Hirth in München, und ein Kartenspiel des

XVII. Jahrhunderts, gestochen von dem Nürnberger Georg Heinrich Bleich, wieder edirt von Dr. Karl
Förster, München 1881.
 
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