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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 2.1884

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I. Theil: Abhandlungen
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Engerth, Eduard von: Über die im kunsthistorischen Museum neu zur Aufstellung gelangenden Gemälde, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5610#0167
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lieber die im kunsthistorischen Museum neu zur Aufstellung gelangenden Gemälde.

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borduren angebrachten Inschriften zu treten hatten. Heraus deutete die einzelnen Darstellungen nicht gleich
mit den Originalen und errieth auch nicht die Reihenfolge.1 Auch der Weber de Vos erlaubte sich mancherlei
Aenderungen im Geschmacke seiner Zeit, ja er brachte auf einem der Bilder sein eigenes Porträt an, lebens-
gross, in ganzer Figur, mit langem Rock und einer Mütze auf der Perrücke. So steht der Mann mitten unter
den kämpfenden Spaniern und Mauren, in affectirter Haltung und mit lächelnder Miene den Beschauer
anblickend.

Die Farben der Cartons waren ihm nicht lebhaft genug, denn er Hess Farbenskizzen anfertigen, in
welchen starkes Blau und Roth bei Gewändern angebracht wurde, welche bei Vermay aus weisser Wolle
bestehen.

Im Jahre 1721 lieferte de Vos seine Arbeit ab. Er erhielt dafür ohngefähr doppelt so viel, als die
Originalteppiche sammt den Zeichnungen Vermays ursprünglich gekostet hatten, obwohl zwei grosse
Stücke weniger gemacht wurden und in den Wiederholungen weder Gold noch Silber angewendet
worden war.

Von dieser Zeit an befinden sich wohl die Cartons des Vermay in Wien. Es ist wahrscheinlich, dass
die Zeichnungen bis zu der Zeit, wo sie de Vos benützte, in den von den Webern des Pannemacker ge-
brauchten einzelnen Stücken aufbewahrt waren, und dass sie auch nach der Benützung durch de Vos in
derselben Gestalt nach Wien kamen, wo sie erst später auf Leinwand aufgezogen wurden. Mancherlei Um-
stände sprechen für diese Annahme, darunter jener am deutlichsten, dass die Leinwand vorzüglich erhalten
ist und in keiner Weise das hohe Alter von nahezu vierthalbhundert Jahren zeigt.

Die grosse Ausdehnung der Cartons machte ihre Aufstellung bisher unmöglich und sie blieben, auf
Trommeln von grossem Durchmesser aufgerollt, in Aufbewahrung. So kamen sie auch zur Zeit der Ueber-
siedlung der kaiserlichen Galerie in das Belvedere mit dahin, wo sie ebenfalls liegen bleiben mussten.

Während der hundert Jahre ihres dortigen Aufenthaltes sind zwar wiederholt Projecte gemacht
worden, die auf eine Aufstellung dieser interessanten Kunstwerke abzielten, aber stets ohne Erfolg.

Mit dem Entrollen der Cartons war man mit gutem Grunde sparsam umgegangen und sie wurden
in Wien nur in Intervallen von einigen Decennien gesehen.

Im Jahre 1821 hat der Custos der k. k. Ambraser-Sammlung, Alois Primisser, eine ausführliche Be-
schreibung derselben in Hormayrs Archiv, Jänner 1821, veröffentlicht; die angenommene Reihenfolge der
Darstellungen bedarf auch hier der Richtigstellung.

Am 8. Februar 1822 meldet Custos Rosa dem k. k. Oberstkämmercramte, dass der englische Schiffs-
capitän Sir Henri Thomson für diese Cartons 10.000 Pfd. Sterling anbiete; eine ansehnliche Steigerung
des Honorars von 1800 fl., welches der Künstler seinerzeit dafür erhielt.

Nach dieser gedrängten Uebersicht der Geschichte der Vermay'schen Zeichnungen mögen diese selbst
entrollt und auf Grund des jetzigen neuerlich vorgenommenen Augenscheines mit Rücksicht auf ihren
künstlerischen Gehalt und auf die Technik der Ausführung beschrieben werden.

Vermay zeichnete diese Bilder auf starkes Papier. Die Höhe der Cartons ist durchaus dieselbe,
3 M. 85 Ctm. Die Breite variirt zwischen 6 M. 62 Ctm. und 11 M. 45 Ctm.

Der Horizont ist sehr hoch angenommen, so dass die Figuren, im Vordergrunde lebensgross, sich in
folgerichtiger perspectivischer Verkleinerung über die ganze Bildfläche bis hoch hinauf ausbreiten, eine An-
ordnung, welche es dem Künstler möglich machte, bei einzelnen Darstellungen die epische Form zu wählen
und in der Wirklichkeit verschiedene zeitlich und räumlich getrennte Begebenheiten auf demselben Bilde
gleichzeitig zur Anschaüung zu bringen.

1 Zu vergleichen ist: Inventar der im Besitze des Allerhöchsten Kaiserhauses befindlichen niederländischen Tapeten und
Gobelins, von Dr. Ernst Ritter von Birk, Jahrbuch I, p. 224.

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