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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 11.1890

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II. Theil: Quellen zur Geschichte der kaiserlichen Haussammlungen und der Kunstbestrebungen des Allerdurchlauchtigsten Erzhauses
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Crooke y Navarrot, Juan; Beer, Rudolf: Bilderinventar der Waffen, Rüstungen, Gewänder und Standarten Karl V. in der Armeria Real zu Madrid, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5770#0597
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62G7

BILDERINVENTAR DER WAFFEN, RÜSTUNGEN, GEWANDER UND
STANDARTEN KARL V. IN DER ARMERIA REAL ZU MADRID.

HERAUSGEGEBEN VON

GRAFEN VALENCIA DE DON JUAN,

CHEF DER ARMERIA REAL ZU MADRID.
DEUTSCH VON

DR- RUDOLF BEER,

HILFSARBEITER AN DER K. K. HOFBIBLIOTHEK.

(Fortsetzung.)

Vorbemerkung.1

Im X. Bande des Jahrbuches wurde ein Theil des
illustrirten Kataloges der Waffen, Rüstungen, Gewän-
der, Fahnen und anderer Kampf- und Turnierstücke
aus dem Besitze des Kaisers Karl V. auf Grund eines
werthvollen, heute der Krone Spaniens angehörenden
Codex veröffentlicht. Diese Publication legt uns die
Verpflichtung auf, bei Ergänzung des bereits Gebo-
tenen durch eine weitere Folge von Tafeln das Wesen
und die Bedeutung sowie den Ursprung und die Grund-
lage der unvergleichlichen Sammlung jenes Herrschers,
welche von den Dynastien Habsburg und Bourbon als
einer der grössten historischen Schätze des königlichen
Hauses gepflegt und gehütet wurde, des Eingehenderen
darzulegen.

Wenn es richtig ist, dass sich die charakteristi-
schen Züge eines Individuums ebenso in ideeller als in
physischer Beziehung auf seine Nachkommen vererben,
so darf es uns nicht Wunder nehmen, wenn wir in
Karl V. den Charakter und ritterlichen Geist eines
Karl des Kühnen finden, die Geschicklichkeit in der
Waffenführung, welche seinen Grossvater Maximilian I.,
den trefflichsten Stecher seiner Zeit, auszeichnet, end-
lich die leidenschaftliche Vorliebe für solche Uebungen,
die seinen Vater Philipp den Schönen während seiner
freilich nur kurzen Lebenszeit beseelte und ihn sogar
bewog, sich auf seinen Medaillen zu Pferde, mit allen
Waffen angethan, mit eingestemmter Lan^e und heraus-
fordernder Miene, unter der Devise »Qui voudra« ab-
bilden zu lassen.

Andererseits sind Alle, die von der Jugendzeit dieses
Fürsten berichten, einig in dem Urtheil, dass seine Con-
stitution eine sehr zarte gewesen. Aber seine Thatkraft
und sein Muth waren so entwickelt, dass er durch sie so-
wohl im frühesten Alter wie in seinen letzten Feldzügen
den Mangel an physischen Kräften zu ersetzen im
Stande war. So sehen wir ihn in Flandern und in
Valladolid im Alter von 18 Jahren dem Wunsche des

i Das hier Folgende bietet Fortsetzung und Schluss des In-
ventars, dessen Publication im X. Bande des Jahrbuches begonnen
wurde, und trägt daher die gleiche Regestennummer.

Anm. d. Red.

Hofes Widerstand leisten und an gefährlichen Stechen
theilnehmen, welche gewaltigen Kraftaufwand erfor-
derten, um den beschlagenen Harnisch zu tragen, und
einen mächtigen Arm, um die gewichtige Lanze zu len-
ken, wie auch zu Mühlberg, wo er, krank und leichen-
haften Aussehens, seine Schaaren gegen den Kurfürsten
Johann Friedrich von Sachsen leitet.

Der durch die Vorfahren überkommene kriege-
rische Sinn; die Erziehung, welche Karl unter der Vor-
mundschaft Maximilian I. erhielt; der abenteuerliche
und kampfesfreudige Geist, welcher gegen Ende des
XV. Jahrhunderts so mächtig aufregend wirkte und
dann im Anfange des XVI. durch die Rivalität mit
Frankreich noch mehr entfacht wurde: all dies recht-
fertigt die ausserordentliche Vorliebe Karls für die
Waffen und erklärt in genügender Weise den Reich-
thum an Material, den er in dieser Hinsicht um sich
versammelte.

Dieses ständige Kämpfen in Krieg, Stechen und
Turnieren hatte ausserdem zur natürlichen Folge, dass
die Anfertigung der Verteidigungswaffen bis zu den
äussersten Grenzen der Vervollkommnung erhoben
wurde. Deutsche und Mailänder wetteiferten, den Waffen
gleichzeitig mit entsprechender Festigkeit und Wider-
standskraft die von Allen gewünschte Leichtigkeit sowie
jene künstlerische Eleganz \u verleihen, welche der Zeit-
geist als eine Art von Nothwendigkeit erheischte.

Karl V., der Herr der Völker, welche solche Werke
Zeitigten, begünstigte jenen Wettstreit und wusste für
gewisse Zwecke die bewundernswerthe Genauigkeit der
Waff enmeistervon Augsburg im Anpassen und Schmieden,
für andere wieder die Eleganz un^ ^en guten Geschmack
der Italiener in der Relief- und Damascirungsarbeit mit
sicherem Blicke zu verwerthen.

Ein deutliches Zeugniss für die Thatsache, dass
Karl die Entwicklung der Kunst in gleicher Weise in
Deutschland und Italien begünstigte, finden wir darin,
dass die Deutschen Worms und Colman sowie der be-
rühmte Mailänder Negroli, deren Marken (Punzen) zu
wiederholten Malen in der Sammlung erscheinen, zu
den ständig besoldeten Dienern des kaiserlichen Hauses
gehörten.
 
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