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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 12.1891

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II. Theil: Quellen zur Geschichte der kaiserlichen Haussammlungen und der Kunstbestrebungen des Allerdurchlauchtigsten Erzhauses
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Wickhoff, Franz: Die italienischen Handzeichnungen der Albertina, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5903#0606
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CCVI

Die italienischen Handzeichnungen der Albertina.

Wien an Zeichnungen der alten Meister zusammen-
gebracht hatte, das fand schliesslich %um grossen Theile
seine bleibende Stelle, als der Herzog Albert von
Sachsen - Teschen seine berühmte Sammlung an-
legte, die nach seinem Tode auf Er^her^og Karl und
weiter auf Er^her^ogAlbrecht übergegangen ist und
wohin auch der kostbare Besitz des All er h ö c h s t e n
Kaiserhauses an Handzeichnungen deutscher und
italienischer Meister gekommen war, welche die Hof-
bibliothek gegen Kupferstiche umgetauscht hatte.

Von dem Schwiegersohne der gr o s s e n Ka iserin be-
gründet,von erlauchten Mitgliedern des Allerhöchsten
Kaiserhauses vermehrt und in liberalster Weise der
allgemeinen Benützung zugänglich gemacht, nimmt die
Albertina unter den Kunstsammlungen in Wien eine
hervorragende Stelle ein und der Gedanke, ihre Schätze
gerade in diesem Jahrbuche zu verzeichnen, schien mir
so sehr am Platte, dass ich manche entgegenstehende
Bedenken überwand, als ich von der Redaction des
Jahrbuches aufgefordert wurde, meine Studien über die
italienischen Handzeichnungen der Albertina in Form
eines kritischen Verzeichnisses derselben rw veröffent-
lichen. Welche Schwierigkeiten heute, wo das Studium
der Handzeichnungen, das so lange vernachlässigt wurde,
eben wieder aufzuleben beginnt, der Abfassung eines
kritischen Verzeichnisses im Wege stehen, habe ich mir
keineswegs verhehlt. Da jedoch die Nothwendigkeit vor-
liegt, einmal wenigstens die grössten Sammlungen von
Handzeichnungen zu katalogisiren, um dem Forscher
einen Ueberblick über ihren Inhalt zu geben, und da
dergleichen Verzeichnisse, wenn nicht eine kritische
Sichtung vorgenommen wird, ein schlechter Wegweiser
wären, übernahm ich die Abfassung eines solchen aus
dem Grunde, weil ich bei langjährigen Studien der
Handzeichnungen der Albertina mehr als ein Anderer
Gelegenheit hatte, dieselben zu vergleichen und zu
sondern. Ich will ein persönliches Moment, welches mitbe-
stimmend wirkte, nicht unterdrücken. Ich hatte Moriz
Thausing im Jahre 1884 meine Meinung über ver-
schiedene dem Michelangelo zugeschriebene Zeich-
nungen der Albertina geschrieben, worauf er mir
noch am Tage, der ihn uns für immer entreissen sollte,
am 11. August antwortete: »so erfüllt sich vielleicht doch
an Ihnen, was ich mir als Abschluss meiner Studien
geträumt hatte, als ich noch an einen kritischen Katalog
der Albertina-Zeichnungen denken konnte«. Ich hatte
von da an die Beschäftigung mit den Zeichnungen der
Albertina als eine Pflicht betrachtet, die ich dem An-
denken des verehrten Mannes schulde, und es scheint
mir gerade jetzt die rechte Zeit, an die mannigfache
Anregung, die er übte, zu erinnern, wo Leute, welche ihm
ihre literarische Existenz verdanken, nun seine kleinen
Irrthümer hervorsuchen und sie in blumiger Ladentisch-
sprache bespötteln, ohne für seine Vorzüge ein Ver-
ständniss zu besitzen.

Ehe ich von der Art der Abfassung dieses Ver-
zeichnisses Rechenschaft gebe, scheint es mir geboten,
Zu präcisiren, was ich mir unter einer echten Zeichnung
vorstelle und was unter Fälschungen, weil ich keines-
wegs der Meinung eines bekannten, mit Recht hoch-
geschätzten italienischen Kenners bin, welcher es
wiederholt ausgesprochen hat, nur ein Zehntel der
Handzeichnungen in den grossen Sammlungen wären
echt, die übrigen neun Zehntel Fälschungen. Wollte er

damit nur sagen, in den älteren Sammlungen läge eine
grosse Anzahl von Zeichnungen unter falschen Namen,
so wird man das zugeben müssen, wenn man es auf das
i5. und die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts beschränkt;
für die spätere Zeit dürfte das Verhältniss gerade das
entgegengesetzte sein. Aber verlegte Zeichnungen sind
noch lange nicht Fälschungen, das heisst mit der Ab-
sicht, den Käufer und den Kenner zu täuschen, ange-
fertigte Stücke. Dergleichen kommen in allen älteren
Sammlungen vor; sie sind aber verhältnissmässig selten
und ich getraue mich zu sagen, dass sich in jenen Ab-
theilungen der Albertina, deren Verzeichniss ich gegen-
wärtigvorlege, das ist in der venezianischen, der lombar-
dischen und der bolognesischen Schule, nicht eine absicht-
liche Fälschung befindet. Goethe, der ja seine Samm-
lung von Handzeichnungen ziemlich gleichzeitig mit dem
Herzog Albert anlegte, hat den Begriff der Origi-
nalität einmal glücklich deflnirt. Er schrieb am 27. Fe-
bruar 181S an Rochlitz-' »Bei Gemälden, noch mehr
bei Zeichnungen, kommt Alles auf Originalität an. Ich
verstehe hier unter Originalität nicht, dass das Werk
gerade von dem Meister sei, dem es zugeschrieben wird,
sondern dass es ursprünglich so geistreich sei, um die
Ehre eines berühmten Namens allenfalls zu verdienen«
(Biedermann, Goethe's Briefwechsel mit Rochlitz,
Leipzig, i88y, p. 14g). Der erleuchtete Sammler, dem es
Zunächst um künstlerischen Genuss zu thun ist, mag sich
mit diesem Kriterium begnügen und auch wir werden
uns hüten, eine gute Zeichnung, die unter dem Namen
des Tiz'an oder des Dominicchin liegt, deshalb als eine
Fälschung zu bezeichnen, weil sie nicht von der Hand
jener Meister ist. Wer eine Sammlung zu kunsthisto-
rischen Zwecken benützen will, kann jedoch mit Recht
verlangen, dass ihm die eigenhändigen Zeichnungen der
grossen Meister ausgesondert werden und dass, wo es
angeht, die falsch benannten Originalzeichnungen ihren
wahren Autoren zurückgestellt werden. Der Begriff der
Originalität, wie ihn Goethe aufstellt, legt uns aber
die weitere Pflicht auf, das, was nicht Original ist, also
alle Copien und Studien nach den grossen Meistern von
ihren eigenhändigen Zeichnungen auszuscheiden. Finden
wir in den älteren Sammlungen eine Reihe von Copien,
sei es ganzer Gemälde grosser Meister, sei es einzelner
Figuren und Gruppen aus ihren Bildern, unter deren
Namen in den Mappen, so sind wir wieder keineswegs
berechtigt, von Fälschungen zu sprechen. Wer seine
Sammlung von Kupferstichen nach den grossen Malern
durch ihre nicht gestochenen Compositionen ergänzen
wollte, war, ehe die Photographie existirte, genöthigt,
sich diese Compositionen zeichnen zu lassen, und so
sehen wir zum Beispiel Mariette, auf welchen wir als
den typischen Sammler gerne zurückkommen, bemüht,
seine Sammlung in dieser Richtung zu vermehren. Er
hält sich in Rom, wie er an Bottari schreibt (Lettere
sulla pittura etc., Milano, 1822, IV, 55i), einen
jungen Mann; es war, wie aus Basan, a. a. O., p. 100
hervorgeht, Durameau, der ihm die Hauptbilder da-
selbst, die nicht gestochen waren, zeichnen musste:
»perche ho gran piacere a riveder quelle cose che co-
minciano a scancellarmisi dalla memoria 0 che sono
State fatte dopo il mio ritorno«. Hört er von neuerlich
berühmt gewordenen Meistern wie von Benefial, so
gibt er Auftrag, deren bedeutendste Tafeln zu zeichnen
(Lettere sulla pittura, V, 425), und selbst Bilder, deren
 
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