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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 13.1892

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I. Theil: Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Eine Fulder Miniaturhandschrift der k. k. Hofbibliothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.5884#0009
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EINE FULDER MINIATURHANDSCHRIFT
DER K. K. HOFBIBLIOTHEK.

Von

Dr. Julius von Schlosser.

/. Bildergedichte der Antike und des frühen Mittelalters.

s ist eine eigenthümliche Thatsache, die nicht blos einmal sondern zu verschiedenen
Zeiten und an verschiedenen Orten beobachtet werden kann, dass sich gerade in
den Perioden des Vollbesitzes aller technischen und künstlerischen Mittel, nicht im
Stadium der Knospe und der kurzdauernden Blüthe sondern in jenem der höchsten
Reife, wenn man will, Ueberreife, eine Neigung zum Tändelnden, ja Possenhaften
bemerkbar macht; in den Höhen so gut wie in den Tiefen findet der Genius der
Kunst Freude daran, seine schwer errungene Kraft spielend zu üben.
Diese Erscheinung tritt auf einem Gebiete, auf welchem sich bildende und redende Kunst wunder-
lich berühren, zu Tage, ich meine in den sogenannten figurirten Gedichten, in denen sich ein ähnliches
Bestreben zeigt wie in der Gartenkunst, nicht nur des modernen sondern auch des viel länger dauernden
antiken Barockstils, die freien Formen der Natur in künstlich zugeschnittene Gewänder zu zwängen.
Nun ist es interessant und charakteristisch, dass die ältesten Repräsentanten dieser Zwittergattung,
welche das Mittelalter fortsetzt, das ja .-.ach, freilich in ganz anderem Sinne, seine Freude am Künst-
lichen hat, gerade der alexandrinischen Zeit angehören, einer Zeit, die neben solch'müssigen Tändeleien
auch gewaltig fortzeugende Gedanken dachte. Denn wie hier das christliche Mittelalter von der heid-
nisch-hellenistischen Periode abhängig ist, so folgt es ihr auch auf einem viel weiteren Gebiete, dem
der grossen Kunst, und jener Vorgang im Kleinen kann zur Erläuterung dieses grossen geschichtlichen
Processes dienen.

Die ersten griechischen Bildergedichte (vgl. über sie Haebcrlin, Carolina figurata graeca, Han-
nover 1887) finden sich in der Anthologie (ed. Bergk, p. 510—518). Sie bilden zunächst einfache, leicht
darstellbare Figuren. So trägt ein dem Theokrit zugeschriebenes Gedicht den Namen aupifä; und hat
deren wohlbekannte Form. Andere (Simias, Dorias u. s. f.) haben in derselben Art das Doppelbeil (tcsas-
v.'jc), das Schildkrötenei, die Flügel des Eros, den Altar behandelt. Ob eine reichere Ausstattung dieser
Gedichte durch Zeichnung oder Malerei stattgefunden hat, wissen wir nicht, können es aber wegen der
Analogie mit den späteren Werken dieser Gattung vermuthen.

In ausgedehnterem Masse treffen wir diese Abart der Poesie im constantinischen Zeitalter, welches
ja überhaupt poetische Spielereien, wie die berüchtigten Centones, Akrosticha u. dgl. bevorzugt. Ein
christlicher Afrikaner, Publilius Optatianus Porfyrius, verfertigte damals einen aus 28 figurirten Ge-
dichten bestehenden Panegyricus auf Constantin den Grossen (ed. L. Müller, Leipzig 1877). Aus dem-
selben geht hervor, dass er zur Feier der Vicennalien (vota XX) des Kaisers, im Conciljahr von Nikaia
3a5 n. Chr. geschrieben ist. Die Mehrzahl der Gedichte bildet geometrische Figuren; doch findet sich
auch die Jahresangabe Aug. XX. Caes. X. (Cap.'V, ed. Müller, p. 39\ dreimal das Monogramm Christi
(VIH, p. 455 XIV, p. S3 ; XXIV, p. 66), die Wasserorgel (XX, p. 61), der Altar des Sol, den ja Constantin
auch auf seinen Münzen als Sol iavictus comes fuhrt (XXV, p. 67), die schon bekannte Syrinx (XXVII,
 
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