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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 13.1892

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I. Theil: Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Eine Fulder Miniaturhandschrift der k. k. Hofbibliothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.5884#0039
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Eine Fukier Miniaturhandschrift der k. k. Hofbibliolhek.

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zeit, wo das sächsisch-norddeutsche Element herrschend und bestimmend eintritt, zeigen sich die Keime
einer nationalen deutschen Kunst. In der karolmgischen Kunst spielt das erst kurz vorher der christlich-
antiken Cultur gewonnene Niederdeutschland natürlich so gut wie keine Rolle. Das Kunstcentrum
Süddeutschlands speciell auf dem Gebiete der Miniaturmalerei ist St. Gallen, in dem ja keltische
Mönche seit altersher ihre eigenthümliche Kunst ausübten. Doch ist aus karolingischer Zeit nur Weniges
erhalten (Folchardpsalter, Psalterium aureum, Evangelium longum des Sintram), wie denn überhaupt
die eigentliche Bedeutung des Klosters erst in die nachkarolingische Zeit fällt.

Was St. Gallen für das südliche, das bedeutet Fulda für das mittlere Deutschland. Geht die
Schreibstube des alemannischen »Schotten«klosters zunächst von irischer Weise aus, so zeigen sich im
Kloster des Angelsachsen Bonifatius im Fuldathale natürlich zuerst angelsächsische Einflüsse. Seit dem
Beginne des IX. Jahrhunderts macht sich aber hier eine neue Richtung geltend, durch welche die Fulder
Schule ihr eigenes, sie von allen anderen Kunstcentren jener Tage unterscheidendes Gepräge erhält.
Diese Richtung trägt augenscheinlich die geistige Signatur des bedeutendsten Mannes, den das Kloster
je hervorgebracht hat, des »Praeceptor Germaniae«: Hrabanus Maurus.

Der eben genannte Beiname charakterisirt den Mann ganz zutreffend. Hraban ist durch und durch
ein Schulmeister, zwar ein tüchtiger aber doch immerhin ein Schulmeister. Die unangenehmsten Seiten
desselben hat er bekanntlich in dem Prädestinationsstreite mit dem geistvollen und unglücklichen Mönch
Gottschalk gezeigt. Hraban ist nicht das, was man einen grossen Mann nennt; er besitzt nichts von der
Genialität des Angelsachsen Alcuin oder des Romanen Theodulf: seine Werke sind zumeist schwache
Producte mit zahlreicheren und ausgedehnteren Anleihen, als selbst im Mittelalter erlaubt war. Aber er
ist doch für seine Zeit und Umgebung eine bedeutende Erscheinung und sein Wirken auf Generationen
hinaus ein erfolgreiches gewesen. Alles in Allem ist er ein trefflicher Typus guten deutschen Mittel-
schlages: unermüdlich, nüchtern und methodisch; besser als ein genialer Lehrer eignete er sich so zum
Führer der Heranwachsenden, denen er die Reste antiker Bildung — trat er doch für das Studium der
alten Classiker dem im Alter frömmelnden Alcuin gegenüber ein — treulich überlieferte.

In Fulda h errschte namentlich seit den Aebten Ratgar, dessen Baulust das Kloster arg gefährdete,
und Eigil ein reges Kunstleben. Auch Hraban folgte seit seiner Einsetzung in die Abtwürde (822) dem
Beispiele seiner Vorgänger und seine Fürsorge für das Kloster Hess auch nach seiner Ordination zum
Erzbischof von Mainz (847) nicht nach.

Ueber Hrabans Bauthätigkeit berichtet sein Biograph Ruodolf (Vita, cap. 48), dass er an dreissig
Kirchen neu aufgeführt habe. Die von ihm für diese verfassten Tituli sind zum grossen Theile erhalten
und jetzt in der Ausgabe der Monumenta Germaniae (Poetae Lat., vol. II, p. 205 ff.) bequem zugänglich.
Unter diesen Bauten ragen besonders hervor die Kirche auf dem Petersberge bei Fulda,1 deren Apsis
eine Darstellung der Wiederkunft des Herrn schmückte (Poetae Lat., a. a. O., p. 210, Nr. 44); dann
eine Kapelle, in welcher sich ein Bild Christi und anscheinend auch typologische Darstellungen be-
fanden (ebenda, Nr. 61). In einer anderen Kirche liess er das oben erwähnte Crucifix zwischen zwei
Seraphim ausführen. Ein hervorragendes Werk war auch der Reliquienschrein des heil. Bonifatius in
der Hauptkirche des Klosters (ebenda, Nr. 48). Einen zweiten kleineren Reliquienbehälter, ausgeführt
von Isanbert, gemalt (emaillirt?) von Ruodolf (wohl dem Biographen), beschreibt Hraban in dem diesem
Kunstwerke gewidmeten Titulus (Nr. 72). Für die lehrhaft historische Richtung Hrabans sind beson-
ders zwei Tituli charakteristisch (Nr. 54 und 56), von denen der eine die vier Cardinaltugenden, der
andere die Porträtreihe der Mainzer Bischöfe zum Gegenstande hat.

Aus keinem anderen Kloster ist uns ferner eine solche Fülle von Künstlernamen überliefert als aus
Fulda zur Zeit des Hrabanus Maurus. War auch dessen Freund Eigil selbst wohl kein zunftmässiger
Architekt, so beschäftigte er sich doch an der Hand Vitruvs mit dem Studium der antiken Kunst und
iess zur Erklärung der Vorschriften desselben ein kleines Tempelmodell mit elfenbeinernen Säulen her-
stellen, Wie wir aus einem interessanten Briefe Einharts erfahren (ep. 56 an Vussin; vgl. meine Bei-

1 Die alte Krypta ist noch zum Theile erhalten.
 
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