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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 13.1892

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I. Theil: Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Typare und Bullen in der Antikensammlung des Allerhöchsten Kaiserhauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.5884#0062
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52

Julius von Schlosser.

zeichen sei nicht in das Siegel geschnitten worden sondern es werde dem König überlassen, am Hofe
selbst ein beliebiges hineinschlagen zu lassen.

1530 hatte Ursenthaler abermals ein vom König nach Vorzeichnung bestelltes neues Typar in
Arbeit. Noch im December desselben Jahres schnitt er dann das römische Siegel, obwohl Ferdinand
erst im nächsten Jahre zum römischen König gekrönt wurde. Es ist jenes bei Heffner, a. a. O., Nr. 177,
beschriebene Siegel, das an einer Würzburger Urkunde vom i3. Januar 1531 hangt. Wieder wird der
Preis von 40 Gulden als ein massiger hervorgehoben, namentlich gegenüber dem seinerzeit von dem
Goldschmied Benedict Burkart, dem 1508 entlassenen Vorgänger Ursenthaler's in der Münze zu
Hall, gestellten Begehren.

Im Februar 1531 erhielt Ursenthaler abermals den wichtigen Auftrag, nach übersandter Visirung
ein »grosses« und »kleines« Siegel zum Gebrauche in den oberösterreichischen Ländern zu stechen. Im
Juli desselben Jahres empfing er für das tirolische Siegel und Secret ausser dem Lohn noch ein
besonderes Geschenk, ein Ehrenkleid, als Zeichen der königlichen Huld. Desgleichen wurden ihm kurze
Zeit darauf für die zwei Siegel »zu den oberösterreichischen Händeln« vier Ellen Atlas und Damast
und fünf Ellen rothes »lindisches« (Londoner) Tuch im Werthe von i3 Gulden 15 Kreuzern zum
Geschenke gemacht.

Von da ab scheint Ursenthaler keine besonderen Aufträge mehr empfangen zu haben, wohl wegen
der schon im Berichte von 1535, in welchem er zum Münzmeister vorgeschlagen wurde, hervorgehobenen
Augenschwäche, die sich der allzeit fleissige Meister bei seiner anstrengenden Arbeit zugezogen hatte.
Er wird fortan als Münzmeister hauptsächlich die administrativ-technischen Angelegenheiten versehen
haben; andere, jüngere Kräfte traten an seine Stelle. Den Dienstrevers vom 2. October 1535 hat er mit
seinem eigenen, wohl selbstgeschnittenen Siegel unterfertigt; es zeigt einen einfachen, durch einen
Schrägbalken getheilten Schild, von einem Stechhelm mit wachsender menschlicher Figur gedeckt; im
Kreise liest man die Umschrift: Ulrich Ursenthaler (Abbildung in diesem Jahrbuch, Band II, S. CLI zu
Nr. 1996).

Die künstlerischen Eigenschaften Ursenthaler's rechtfertigen die Werthschätzung, in welcher er
zeitlebens beim Kaiser und bei der Regierung stand. Freilich hat er ihnen auch niemals Anlass zu Un-
zufriedenheit und Klagen, wie so viele seiner Collegen, gegeben. Namentlich die Wappenseiten der
beiden maximilianeischen Goldbullen sind Meisterstücke geschmackvoller, echter Heraldik und künstle-
rischer Raumbenützung.

Handhabte der Meister hier mit freier Gewandtheit noch die stilistisch gebundenen Formen des
gothischen Mittelalters, so hat er seine Kraft nicht minder in der fremden Weise des neuen Stils
erprobt. Das grosse Königssiegel Ferdinand I., als dessen Urheber wir ihn nach den oben mitgetheilten
Daten doch zweifellos zu erkennen haben (Abbildung bei Heffner, Tafel XXI, Fig. 136 und 137), ist
eines der schönsten Siegel der deutschen Renaissance.

VII.

Byzantinische und venezianische Silberbullen.

Silberbullen gehören bekanntlich zu den allergrössten Seltenheiten. Im Norden scheinen sie über-
haupt nicht Verwendung gefunden zu haben; denn von den drei Bullen dieser Art, welche seinerzeit
angeführt wurden, hat schon Heineccius (a. a. O., S. 41) jene des Dagobert als Fälschung, jene Ludwig
des Frommen mit Mabillon als einfachen Abguss eines Wachssiegels erkannt, die dritte (Heinrich II.
in Paderborn), da sie vergoldet ist, zu den Goldbullen gezählt; sie ist aber ebenfalls unecht.

Unica sind die beiden im Cabinet des medailles zu Paris bewahrten antikisirenden Silberbullen
von Karl dem Kahlen (eine davon abgebildet bei Lecoy de la Marche, Les Sceaux, p. 108) — ihre Echt-
heit vorausgesetzt. Bei Karl IL, der so sehr zu byzantinischem Wesen neigte, wäre indessen eine der-
artige Anomalie nichts Unerhörtes.
 
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