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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 13.1892

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I. Theil: Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Leone Leoni's Medaillen für den kaiserlichen Hof
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https://doi.org/10.11588/diglit.5884#0109
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Leone Leoni's Medaillen für den kaiserlichen Hof.

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Diesen Abguss ciselirt Leone später, wohl erst im Jahre 1555, als er den Plan fasst, mit allen
seinen Werken nach Brüssel zu gehen, um sich durch Vorzeigung derselben gegen den Vorwurf der
Saumseligkeit zu rechtfertigen (siehe oben S. 75); er stellt die Medaille fertig, so gut es bei den Makeln
des Gusses und aus der Erinnerung, ohne das Modell vor Augen zu haben, geschehen kann. Da damals
Niemand die späteren Schicksale Philippinens ahnte und ihr eine besondere Theilnahme zuwenden
konnte war die fertige Medaille wohl als Geschenk für Granvela bestimmt, dessen Gunst Leone in
seiner damaligen Lage dringend nöthig hatte.

Um den oben unterbrochenen Faden wieder aufzunehmen und den künstlerischen Charakter
Leone's als Medailleur, wie er in seiner späteren Periode erscheint, darzulegen, seien hier zunächst jene
Medaillen erwähnt, die er zwischen 1547 und 1561 arbeitete und die Persönlichkeiten betreffen, welche
nicht Mitglieder der kaiserlichen Familie waren. Es sind dies folgende: Vom Jahre 1551: sein eige-
nes Porträt, 55 Mm., Rev. Andrea Doria. — Hippolyta Gonzaga (55 Mm., signirt, wie oben S. 66 ge-
sagt, Rev. Par ubique potestas).1 — Vom Jahre 1555: Granvela (66 Mm., signirt LEO, Rev. Durate,
Schiff). — Derselbe (51 Mm., Rev. Durate, Neptun und Schiff im Sturme). — Ferrante Gonzaga (65 Mm.,
Rev. Tu ne cede malis, Hercules und Riesen). — Vom Jahre 1555—1558: Baccio Bandinelli (41 Mm.,
signirt LEO, Rev. Chandor illesus, Lorbeerkranz).2 — Vom Jahre 1557 oder 1558: Giorgio Vasari
(62 Mm., signirt LEO, einseitig). — Ferdinand Consalvo und Sessa (58 Mm., Rev. Dabit Deus his quo-
que finem, Hercules mit der Hydra und Docebo iniquos, Blinder). — Vom Jahre 1560: Papst Pius IV.
(48 Mm., Rev. Desiderio desideramus, Henne mit Küchlein). — Vom Jahre 1561: Ferdinand Franz
Davalos (60 Mm., einseitig). — Michel Angelo (59 Mm., signirt LEO, Rev. Docebo iniquos, Blinder).3

Die figuralen Compositionen der späteren Zeit enthalten nur mehr selten Anklänge an den Stil
älterer Meister; wohl aber gewahrt man die Schwierigkeiten, welche dem Künstler der Uebergang zu
einem viel grösseren Massstabe bereitete, als der bisher eingehaltene war; es treten in diesem manche
Schwächen deutlicher hervor. Die Composition leidet unter seinem Bestreben, die Reversbilder der
ältesten für den Hof gearbeiteten Medaillen so reich als möglich auszustatten; er zerstreut wie früher
auch jetzt noch die Massen, die er auf einer Seite häuft statt sie zu concentriren; überdies schädigt er
ihre Wirkung jetzt auch durch eine falsche Raumausfüllung, nach der er nun in auffallender Weise
strebt. Nicht durch die Bewegung der einzelnen Figuren, aus der sie sich von selbst ergeben muss,
sucht er sie zu erreichen sondern äusserlich durch Beiwerk — Bäume, Gebäude, Felsen —, welches den
Hintergrund ausfüllt und durch den Eindruck der Ueberladung verwirrt. Man gewahrt dies vor Allem
auf der Rückseite der Medaille Don Philipps und jener auf Hippolyta, wenngleich letztere hierin schon
einen Fortschritt zeigt. Oder er mischt grössere und kleinere Figuren in beträchtlicher Anzahl, ohne
den nöthigen Raum zu haben, dessen die klare Entwicklung der Motive bedurfte, so bei dem sicher
nach Michel Angelo's jüngstem Gerichte coneipirten Titanensturz der grossen Kaisermedaille, welche
ungeachtet der Anstrengungen des Meisters keinen erquicklichen Eindruck hervorbringt. Schon die
Wahl dieses Vorbildes für ein Relief, das doch ganz anderen Gesetzen folgen muss als ein Gemälde,
war ein Missgriff, den man von einem Plastiker nicht erwarten sollte. In wohlthätigem Gegensatze
hiezu steht die gleichzeitig ausgeführte Gruppe der Grazien auf der Kehrseite der Medaille der Kaiserin;
gerade diese aber ist nicht Leone's geistiges Eigenthum sondern geht auf die Arbeit eines älteren Me-
dailleurs zurück, der selbst wieder einem antiken Werke folgte; ja die Zugaben, welche unser Meister
beifügt, zeigen neue Fehlgriffe und sind geeignet, die Klarheit und Schönheit der ursprünglichen

1 Die im Jahre 1549 auf 1550 entstandene Medaille auf Granvela's Bruder Jerome Perrenot de Champeney ist noch
nicht aufgefunden.

2 Die Rückseite ist von einer Medaille Valerio Belli's (1468—1546) mit seinem eigenen Porträt (30 Mm.) entlehnt oder
dieser nachgeahmt. Die Medaille Belli's ist bei Armand I, l36, Nr. 3, beschrieben.

3 Das Wachsmodell hiezu im Besitze Drury Fortnums. Archaelogical Journal XXXII (1875), Nr. 125.
XH1. 12
 
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