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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 13.1892

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I. Theil: Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Leone Leoni's Medaillen für den kaiserlichen Hof
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https://doi.org/10.11588/diglit.5884#0110
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Friedrich Kenner.

Composition zu zerstören, den anmuthigen reinen Fluss der Contouren im unteren Theile zu be-
einträchtigen.

Im Vergleich zu seinen älteren Werken scheinen also jene der Jahre 1546 bis 1551 ein Stadium
des Rückschrittes zu bezeichnen; doch betrifft dies nur die figurale Composition und stellt sich auch in
letzterer Beziehung nur als ein Uebergang dar. Sehr bald kommt Leone von dem geschilderten Fehler
zurück, indem er es lernt, sich auf einzelne Figuren zu beschränken, diese aber grösser zu gestalten und
in die Mitte zu rücken; dies veranlasst ihn, mehr Sorgfalt auf ihre Bewegung zu verwenden und in
gleichem Masse dem Beiwerke eine mehr untergeordnete Rolle anzuweisen. Schon im Danubius und
im Mercur der beiden Königsmedaillen lässt sich dies erkennen; die Herculesfiguren der Medaillen auf
Ferrante Gonzaga (1555) und Consalvo (1557, 1558) zeigen in der Abwägung der Verhältnisse
zum Räume einen sehr beträchtlichen Fortschritt, ja sie können hinsichtlich der Composition zu den
schönsten Medaillenbildern jener Zeit gezählt werden, wenngleich sie weit mehr als Leone's ältere
Arbeiten studirt sind. Die volle Freiheit und Unbefangenheit der letzteren zeigen nur wenige der Com-
positionen späterer Zeit wie der Blinde, der sich, von seinem Hunde geführt, mit dem Stabe tastend auf
dem richtigen Wege zu halten sucht (Medaille auf Michel Angelo 1561), eine aus dem vollen Leben ge-
griffene, diesem glücklich nachgebildete Figur, ebenso naturwahr als seine See- und Schiffbilder auf
den Medaillen Granvela's. Wie die zur Tränke eilenden Rosse und die Galeere auf seinen älteren
Werken sind diese Bilder unter dem Eindrucke wirklich gesehener Scenen gearbeitet. In der Wieder-
gabe der letzteren ist Leone weit stärker als in der idealen Figurencomposition.

Es stimmt damit überein und hängt innerlich damit zusammen, dass ihm in der Ausarbeitung die
costümirte Figur besser gelingt als die nackte. Von letzterer (Danubius, Mercur, Hercules, die Grazien)
empfängt man gerade in der Durchführung, in welcher Leone doch sonst ausgezeichnet ist, unleugbar
den Eindruck einer Unzulänglichkeit in Modellirung und Behandlung der Muskulatur, welche auf den
grösseren Medaillen späterer Zeit merkbarer hervortritt als auf seinen älteren, in denen uns eben wegen
des kleinen Massstabes diese Schwäche entgeht. Sie steht in scharfem Gegensatze zu den bekleideten
Frauenfiguren (Diana, Virtus, Voluptas); letztere sind schon an sich gefälliger, schlanker und zierli-
cher gebildet als die wenig ansprechenden, wuchtigen aber keineswegs grandiosen männlichen Gestalten.
Die Muskulatur ist hier durch die Gewandung gedeckt, deren Faltenwurf in seiner Fülle und Anord-
nung die Grazie der Bewegung so schön zum Ausdrucke bringt, wie sie Leone im Leben vor sich ge-
sehen haben mag.

Schon daraus erkennen wir den speciellen Beruf unseres Meisters. Ideale Figuren und ihre Com-
position liegen nicht in demselben; indem er sich in den ersten Bestellungen des Hofes, um sich als
Künstler zu erweisen, in dieser Richtung an allzu grosse Aufgaben wagt, zeigt er sich ihnen nach seiner
bisherigen Schulung nicht gewachsen; er findet sich erst allmälig auf dem Wege der Erfahrung und
Berechnung, nicht durch künstlerische Inspiration zurecht, bleibt aber auch dann in der Behandlung
des Nackten zurück.

Dagegen gelingen ihm bekleidete Gestalten und Scenen aus dem wirklichen Leben trefflich. Hier
liegt seine Stärke. Auch in seinen vollrunden Werken gewahren wir Aehnliches. Die unbekleidete Statue
Karl V. spricht uns weit weniger an als jene in der Rüstung, die an ihr zum Abnehmen gerichtet war;
ebenso sind die Standbilder der Kaiserin Isabella und der Königin Maria, auch wenn man sie als Ge-
wandstatuen betrachtet, Meisterwerke ersten Ranges. Dies deutet Leone's vorzügliche Befähigung für
das Porträt an. Und diese Richtung war es auch, in welcher die Veränderung, die seine Ernennung
zum Bildhauer des Kaisers zur Folge hatte, die wohlthätigste Wirkung ausübte. Hier zeigte er sich
den grossen Aufgaben, die seiner warteten, völlig gewachsen. Die Vergrösserung des Durchmessers
der Medaillen war in dieser Beziehung für ihn von Vortheil; nun konnte er Brustbilder oder
vielmehr Hüftbilder componiren, die seinem Talente einen grösseren Spielraum gewährten; er findet
auch sofort den richtigen Weg, indem er ausser dem Bildniss selbst ein zweites Element des Por-
träts cultivirt: die Pose, welche dem Charakter des Dargestellten entspricht. Schon an der Medaille
des Don Philipp überrascht die Wahrheit, die Pracht und der Stolz der ganzen Erscheinung, so dass
 
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