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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 13.1892

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I. Theil: Abhandlungen
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Chmelarz, Eduard: Le songe du pastourel, von Jean du Prier: Bilderhandschrift in der k. k. Hofbibliothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.5884#0301
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Le songe du pastourel, von Jean Du Pricr.

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und zugleich Moralisten seiner Zeit zu. Mit der Form eines Traumes lehnt sich sein Gedicht an die aus-
sterbenden Romantiker an und in dem Zwiegespräche zwischen dem Burgunder und dem Tode zeigt
sich noch eine Verwandtschaft mit den Dichtern der Danse macabre. Im Ganzen kein epochemachendes
Talent, ein wenig pedantisch, jedoch, wenn man die zeitübliche Apostrophirung seines Helden zu Anfang
des Werkes in Abrechnung bringt, ehrlich und ohne Schmeichelei, hat Prieur mit dem bisherigen Tod-
schweigen von Seite der französischen Literarhistoriker entschiedenes Unrecht erlitten.

Die Beschreibung der Handschrift in der Hofbibliothek kann sehr kurz gehalten werden.1
Dieselbe, in einem älteren unscheinbaren Lederbande, enthält 36 Pergamentblätter (Höhe 376 : 2g3 Mm.
Breite), von denen das letzte leer ist und nur die Umrahmung des Bildes und Textes zeigt, wie dies auf
der beigegebenen ersten Seite ersichtlich ist. Auf jeder Seite ist eine Illustration, nicht immer von
derselben Form und Grösse wie unsere Reproductionen, im Ganzen 69 Bilder, von denen sich allerdings
23 Todesbilder und die Darstellung des Titelbildes auf dem Schlussblatte wiederholen.

Was nun die Bilder selbst betrifft, so reihen sich dieselben nicht eigentlich unter die sogenannten
Miniaturen sondern sind aquarellirte Federzeichnungen. Die Farbenscala ihrer Ausschmückung ist mit
ihren drei Abstufungen von Roth, dann Blau, Grün und Gelb ziemlich beschränkt zu nennen, im Allge-
meinen sehr licht und heiter gestimmt, was durch einige Aufhöhungen mit Gold auf den ersteren, über-
haupt sorgfältiger ausgeführten Blättern noch unterstützt wird. Sonst ist als Localton lichtes Braun in
Verwendung und Modellirung und Schattirung kommt zumeist nur auf den vorderen Bildern vor, wäh-
rend auf den späteren fast nur einfaches Illuminiren, Ausfüllen der Umrisse mit gleichmässiger Farbe
platzgreift. Auch die mit der Feder scharf umrissene Zeichnung fällt, je weiter nach rückwärts, desto
mehr ab, wird flüchtiger und manierirter; ja es ist sehr wahrscheinlich, dass die vielen Wiederholungen
der Todesbilder und die Copie des erstep Bildes in seiner Wiederverwendung als Schlussbild von anderer
Hand als jener des eigentlichen Meisters gemacht wurden. Letzterer selbst erweist sich in seinen Bildern
als trefflicher Erzähler und zeigt sehr viel Geschick, verbunden mit einer bis zur Affectirtheit neigenden
Eleganz des Vortrages, welcher die Formen vollständig beherrscht aber mit denselben ziemlich sorglos
verfährt. Der Ausdruck der Gesichter ist trotz des kleinen Massstabes doch lebhaft, am ausdrucksvollsten
jener des Todtenkopfes, und die Perspective steht auf der Höhe der Zeit, selbst mit ihren Mängeln, wie
auf dem Bilde der Kirchenplünderung und des Kindesmordes, der uns durch Ausbrechung der Wand
des Gebäudes vor Augen gestellt wird. Die Bilder schliessen sich dem Texte zumeist genau an, von dem
Dedicationsblatte, auf welchem der Dichter sein Werk dem jungen Lothringerherzog überreicht, bis zu
dem letzten Bilde, auf welchem die Beerdigung Karl des Kühnen allerdings mehr schematisch und viel
weniger pomphaft dargestellt ist, als dieselbe der Text andeutet und die Chroniken beschreiben.

Die Entstehungszeit unserer Handschrift wird sowohl durch den Schriftcharakter als durch jenen
der Bilder annähernd etwa auf das zweite Zehent des XVI. Jahrhunderts bestimmt. Darauf deutet die
durchaus nicht mehr im Style der alten Schule ängstlich ausgeführte Zeichnung, welcher im Gegentheile
eine gewisse Flottheit nicht abzusprechen ist, und manche Einzelheit des Costüms. Wenn die ab und
zu vorkommenden Spitzschuhe noch auf das XV. Jahrhundert schliessen Hessen, so zeugen dagegen die
Trachten der Landsknechte und besonders die Form des sogenannten Kuhmaules an ihrer Beschuhung,
wie auch die Rüstung des Burgunders bereits für das volle XVI. Jahrhundert. Beiläufig bemerkt, be-
kundet sich schon in der Form dieser Rüstung die sorglose Flüchtigkeit des Zeichners; denn die
Fortführung der Schulterdecke als eiserner Ringe auch unter die Achselhöhlen lässt eine solche Rüstung
für den praktischen Gebrauch ganz undenkbar erscheinen. Die soeben ausgesprochene Altersbestimmung
unserer Handschrift steht aber nicht im Widerspruch mit der weiter oben ausgeführten Ansicht über die
Entstehungszeit des Gedichtes; denn wir besitzen in der Hofbibliothek offenbar nicht die Original-
handschrift von Prieur's Arbeit, so gefällig sich dieselbe auch darstellt, sondern eine um einige Jahrzehnte
später angefertigte Abschrift, welche nach den in unserem Abdruck angemerkten Flüchtigkeiten in der

1 Dieses umsomehr, als sich eine ausführliche Beschreibung mit Aufzählung sämmtlicher Bilder vorfindet in G. F.
Waagen »Die vornehmsten Kunstdenkmäler in Wien«, Bd. II, p. 85—87. Die dortige Zeitangabe mit 1480 ist jedoch ent-
schieden unrichtig; vgl. dagegen Woltmann und Woermann, Geschichte der Malerei, II, p. 82.

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