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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 13.1892

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I. Theil: Abhandlungen
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Riegl, Alois: Ältere orientalische Teppiche aus dem Besitze des Allerhöchsten Kaiserhauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.5884#0332
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Alois Riegl.

des Frieses, weshalb wir das Gleiche auch auf dem Becken von 1643 wahrgenommen haben. Aber das
den Hintergrund überziehende Geranke zeigt auf dem späteren Becken sehr wesentliche Abweichungen.
Die Blüthenmotive des Louvre-Beckens entstammen dem bisher mit Vorliebe aber ganz ohne Grund
als arabisch bezeichneten vegetabilischen Ornamentschatz der saracenischen Kunst, in einer Stilisirung,
die für das XIII. und XIV. Jahrhundert charakteristisch ist. Auf dem Becken des XVII. Jahrhunderts
dagegen begegnen wir Blüthenformen, die mit der für specifisch persisch angesehenen Decorationsflora
zusammenhängen.

Viel bedeutsamer sind die Abweichungen, welche die Reiterfiguren auf dem Louvre-Becken be-
treffen, und zwar weisen diese Abweichungen Charakteristischermassen fast durchwegs auf historische
Zusammenhänge mit früheren Kunstperioden hin. So vor Allem der Nimbus, den wir an keiner Figur
des Louvre-Beckens vermissen. Noch auf figural verzierten Einsätzen ägyptischer Gewänder aus dem
früheren Mittelalter, und zwar bezeichnendermassen gleichfalls an jagenden Reitern, die infolge dessen
von Lane Poole und Anderen irrthümlich für »heilige Krieger« angesehen wurden (Katalog der ägypti-
schen Textilfunde im k. k. österreichischen Museum, Taf. XIII) findet sich der Nimbus als Auszeichnung
der dargestellten Personen, in der gleichen Weise, wie er von der Antike gebraucht worden und, wie das
Louvre-Becken lehrt, im conservativen saracenischen Orient noch im XIII. Jahrhundert im Gebrauch
gestanden ist. Dagegen zeigt keines der späteren Denkmäler, die wir bisher in den Kreis unserer ver-
gleichenden Betrachtung einbezogen haben, einen Nimbus.

Nicht minder Bemerkenswerthes lehrt die Untersuchung der Tracht. Bei mancher Uebereinstim-
mung mit der späteren typischen persischen Tracht treten uns da bedeutsame Unterschiede entgegen,
die nicht blos wie etwa die abweichende Turbanbildung nur secundäre Beachtung verdienen sondern
auch wie der Nimbus auf den fortgesetzten Zusammenhang mit früheren Kunstperioden hinweisen, der
an den Denkmälern des XV. bis XVII. Jahrhunderts schon zum grössten Theile verwischt erscheint.
Man betrachte nur am dritten, vierten und sechsten Reiter das kleine Gefältel der Tunica an Schulter
und Gürtel: der gleichen Faltenstilisirung und zum Theile an der gleichen Stelle begegnen wir auf sas-
sanidischen Kunstwerken (vergl. die Trachten der Könige auf den sassanidischen Felsenreliefs sowie
auf Goldschmiedearbeiten bei Stephani, Compte-rendu 1867 Taf. III, 1878/79
Taf. VII). Das Gefältel kehrt auf dem Louvre-Becken besonders deutlich wieder
in einem Medaillon des Aussenfrieses (Fig. i3), an welcher Figur als nicht minder
charakteristisch für den Zusammenhang mit sassanidisch-spätantiken Reiterfiguren
(Stephani a. a. O.) das nach hinten wegflatternde Gewandstück hinzukommt. Auf
den persischen Denkmälern vom XV. Jahrhundert ab vermissen wir aber sowohl
das kleine zierliche Gefältel als auch die conventioneilen flatternden Draperien.
Beides ist der orientalischen Kunst ursprünglich fremd. Unter den altorienta-
F's',13' Melaill°n lischen Künsten hat erst die persische in sehr beschränktem Masse der Draperie

aur dem laurbecken 1 1

des heil. Ludwig. Eingang verschafft (Perrot-Chipiez, Histoire de l'art dans l'antiquite V, 828). Die
griechische Kunst ist es, die den freibewegten Faltenwurf und das flatternde
Gewand zuerst in die Kunst eingeführt hat, und aus dieser Quelle stammt auch die achämenidische
sowie die sassanidische Draperie und die sassanidische Kunst überhaupt in ihren wesentlichen Grund-
zügen. Im Zusammenhang mit der neupersischen, nichtgriechischen Tracht konnte es nicht ausbleiben,
dass die Draperie in der sassanidischen Kunst ein eigenthümliches, nationales Gepräge erhielt, und
dieses unverkennbare Gepräge ist es, das uns in den Draperien der Figuren des Louvre-Beckens aus
dem XIII. Jahrhundert die zwar späten aber unmittelbaren Abkömmlinge der frühmittelalterlichen
Kunst des Sassanidenreiches erkennen lässt.

Die Pferde des Louvre-Beckens verrathen auch noch nicht den kanonischen Typus der späteren
Zeit. Letzterer kündigt sich blos in Einzelheiten an: so in dem charakteristischen an der Wurzel er-
hobenen Schweif (Fig. i3), ferner im Rossschweif als Halszier (in Fig. 12 die beiden letzten Pferde
rechts). Dagegen verräth eine Reiterfigur (Fig. 14) vom Aussenfries des Beckens eine unverkennbare
Verwandtschaft mit den später so häufig vorkommenden typischen Figuren von Schützen, die eben den
 
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