Aeltere orientalische Teppiche.
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Nothwendigkeit einer Annahme europäischer Fabrication keine Rede sein könne. Allerdings ist das Bild,
das diese Teppiche gewähren, ein recht buntes und vielgestaltiges; manches Detail bleibt noch aufzu-
klären und wird wohl auch aufgeklärt werden, da ja nunmehr ein so umfassendes und noch der Er-
weiterung fähiges Material hiefür vorliegt. Wir sind an dieser Stelle einer eingehenderen Erörterung
hierüber schon deshalb überhoben, da die drei in Frage kommenden Teppiche aus dem Besitze des
Allerhöchsten Kaiserhauses nichts zur Schau tragen, was mit persischem Ursprung unvereinbar scheinen
könnte. Insbesondere Inv. 116 kann man sich gar nicht anders als innerhalb der persischen Luxus-
teppichfabrication entstanden denken. Aber auch die beiden übrigen Teppiche verrathen nichts schlecht-
weg Unpersisches oder zwingend Europäisches; ihre Abweichungen von Inv. 116 sind, wie schon früher
ausgeführt wurde, am einfachsten aus zeitlichen Abständen zu erklären. An welchem Punkte innerhalb
der weiten persischen Kunstsphäre wir die Entstehung dieser Teppichgruppe zu suchen haben, ist heute
freilich noch nicht zu entscheiden. Türkischen Ursprung zu vermuthen, was auch schon geschehen
ist, halte ich aber keinesfalls für gerechtfertigt, da an dieser Teppichklasse gerade diejenigen Motive
fehlen, die uns an der vorderasiatischen Gruppe 4 so besonders charakteristisch erschienen sind: die
Tulpen, Nelken, Narcissen u. s. w.
Was endlich die Zeitstellung der hiehergehörigen Teppiche anbelangt, so werden wir Inv. 116
wohl zuversichtlich noch in das XVI. Jahrhundert datiren dürfen. Dem frei verlaufenden, nicht an ge-
reihte Motive gebundenen Rankenwerk, das wir für persische Teppiche des XVI. Jahrhunderts an der
Fig. 18. Kopfleiste aus einer persischen Bilderhandschrift vom Jahre 1528.
Hand von Miniaturbildern als typisch befunden haben, stehen die auf Taf. XXVI—XXVIII abgebildeten
Teppiche näher als diejenigen der Gruppe 3. Ja wir vermögen das eigenthümliche Flächen verzierungs-
schema mit Compartimenten, die aus zwiespältigen Rankentheilungen gebildet sind, und mit dazwischen
verlaufenden Blüthenranken auf wechselndem gold- oder farbigem Grunde sogar unmittelbar an datirten
persischen Kunstwerken des XVI. Jahrhunderts nachzuweisen, nämlich im Nizami-Codex vom Jahre
1528, wo das genannte Schema stets zur Musterung des Grundes der Bücherüberschriften (Fig. 18) ver-
wendet erscheint. Die Uebereinstimmung erstreckt sich da bis auf die Stilisirung der zwiespältigen
Rankentheilungen mit umgestülpten und eingekniffenen Rändern, gemäss der ursprünglichen vegetabi-
lischen Bildung, wie sie sich aus dem byzantinischen akanthisirenden Laubwerk entwickelt hat und in
der saracenischen Kunst bis in das späteste Mittelalter immer noch in zahlreichen Fällen zu beobachten
ist. Dagegen erscheinen die bezüglichen Auswüchse an den Rankentheilungen von Inv. 115 und 115 a
bereits in Rundzacken umgebildet, wahrscheinlich unter dem Einflüsse der chinesirenden Wolken-
stilisirung. Es ist dies ein ornamentaler Fortbildungsprocess, den wir auch an den emaillirten Fliesen
beobachten können und der gleichfalls für jüngere Entstehung von Inv. 115 und 115 a spricht. Weit in
das XVII. Jahrhundert werden wir aber auch mit diesen beiden Teppichen kaum heruntergehen dürfen.
Endlich liegen ganz bestimmt datirte Nachrichten über einige Teppiche vor, die zweifellos in diese
Gruppe gehören, so dass wir die bezüglichen Daten auch für unsere drei Teppiche verwerthen dürfen.
Im Schatz von San Marco zu Venedig befinden sich vier Teppiche, die wir sowohl nach ihrem Aus-
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Nothwendigkeit einer Annahme europäischer Fabrication keine Rede sein könne. Allerdings ist das Bild,
das diese Teppiche gewähren, ein recht buntes und vielgestaltiges; manches Detail bleibt noch aufzu-
klären und wird wohl auch aufgeklärt werden, da ja nunmehr ein so umfassendes und noch der Er-
weiterung fähiges Material hiefür vorliegt. Wir sind an dieser Stelle einer eingehenderen Erörterung
hierüber schon deshalb überhoben, da die drei in Frage kommenden Teppiche aus dem Besitze des
Allerhöchsten Kaiserhauses nichts zur Schau tragen, was mit persischem Ursprung unvereinbar scheinen
könnte. Insbesondere Inv. 116 kann man sich gar nicht anders als innerhalb der persischen Luxus-
teppichfabrication entstanden denken. Aber auch die beiden übrigen Teppiche verrathen nichts schlecht-
weg Unpersisches oder zwingend Europäisches; ihre Abweichungen von Inv. 116 sind, wie schon früher
ausgeführt wurde, am einfachsten aus zeitlichen Abständen zu erklären. An welchem Punkte innerhalb
der weiten persischen Kunstsphäre wir die Entstehung dieser Teppichgruppe zu suchen haben, ist heute
freilich noch nicht zu entscheiden. Türkischen Ursprung zu vermuthen, was auch schon geschehen
ist, halte ich aber keinesfalls für gerechtfertigt, da an dieser Teppichklasse gerade diejenigen Motive
fehlen, die uns an der vorderasiatischen Gruppe 4 so besonders charakteristisch erschienen sind: die
Tulpen, Nelken, Narcissen u. s. w.
Was endlich die Zeitstellung der hiehergehörigen Teppiche anbelangt, so werden wir Inv. 116
wohl zuversichtlich noch in das XVI. Jahrhundert datiren dürfen. Dem frei verlaufenden, nicht an ge-
reihte Motive gebundenen Rankenwerk, das wir für persische Teppiche des XVI. Jahrhunderts an der
Fig. 18. Kopfleiste aus einer persischen Bilderhandschrift vom Jahre 1528.
Hand von Miniaturbildern als typisch befunden haben, stehen die auf Taf. XXVI—XXVIII abgebildeten
Teppiche näher als diejenigen der Gruppe 3. Ja wir vermögen das eigenthümliche Flächen verzierungs-
schema mit Compartimenten, die aus zwiespältigen Rankentheilungen gebildet sind, und mit dazwischen
verlaufenden Blüthenranken auf wechselndem gold- oder farbigem Grunde sogar unmittelbar an datirten
persischen Kunstwerken des XVI. Jahrhunderts nachzuweisen, nämlich im Nizami-Codex vom Jahre
1528, wo das genannte Schema stets zur Musterung des Grundes der Bücherüberschriften (Fig. 18) ver-
wendet erscheint. Die Uebereinstimmung erstreckt sich da bis auf die Stilisirung der zwiespältigen
Rankentheilungen mit umgestülpten und eingekniffenen Rändern, gemäss der ursprünglichen vegetabi-
lischen Bildung, wie sie sich aus dem byzantinischen akanthisirenden Laubwerk entwickelt hat und in
der saracenischen Kunst bis in das späteste Mittelalter immer noch in zahlreichen Fällen zu beobachten
ist. Dagegen erscheinen die bezüglichen Auswüchse an den Rankentheilungen von Inv. 115 und 115 a
bereits in Rundzacken umgebildet, wahrscheinlich unter dem Einflüsse der chinesirenden Wolken-
stilisirung. Es ist dies ein ornamentaler Fortbildungsprocess, den wir auch an den emaillirten Fliesen
beobachten können und der gleichfalls für jüngere Entstehung von Inv. 115 und 115 a spricht. Weit in
das XVII. Jahrhundert werden wir aber auch mit diesen beiden Teppichen kaum heruntergehen dürfen.
Endlich liegen ganz bestimmt datirte Nachrichten über einige Teppiche vor, die zweifellos in diese
Gruppe gehören, so dass wir die bezüglichen Daten auch für unsere drei Teppiche verwerthen dürfen.
Im Schatz von San Marco zu Venedig befinden sich vier Teppiche, die wir sowohl nach ihrem Aus-
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