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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 16.1895

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Domanig, Karl: Peter Flötner als Plastiker und Medailleur: vornehmlich nach seinen in den Kunstsammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses befindlichen Werken
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https://doi.org/10.11588/diglit.5778#0010
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Karl Domanig.

und aus der geknickten Haltung des Körpers darf man schliessen, dass Adam in dem Momente dar-
gestellt ist, in welchem ihn Gott nach dem Sündenfalle zur Rechenschaft zieht: »Adam, wo bist du?«
Man muss gestehen, dass Flötner seinen psychologisch interessanten Vorwurf eigenartig und treffend
behandelt hat.

Vermuthlich aber war es dem Künstler, wie man insbesondere aus der Vernachlässigung des
Kopfes schliessen darf, weniger darum zu thun, einen Adam zu schaffen, als vielmehr überhaupt ein
männliches Modell in einer interessanten Pose wiederzugeben. Er gefällt sich darin, selbst offenbare
Mängel, wie die stark abfallenden Schultern, die niedere Brust, den unschönen Rücken u. a. treu nach-
zubilden. Ob und inwieweit er etwa in den Verhältnissen einem Canon gerecht zu werden strebte, lasse
ich dahingestellt.

Von Wichtigkeit ist die an der Basis angebrachte Signatur des Meisters. Reimers (a. a. O., S. 4)
hat die Monogramme zusammengestellt, deren sich Flötner bediente. Seine Holzschnitte sind mit
»P F« mit oder ohne Jahreszahl gezeichnet; häufig setzt er den Meissel oder Meissel und Klöpfel dazu.
Genau dasselbe Monogramm wie auf unserem Bildwerke hat Reimers (als das fünfte) mitgetheilt. Dass
wir diese Signaturen in der That als Peter Flötner lesen dürfen, geht aus der Berliner Zeichnung mit
dem Lehnstuhl hervor, welche, ein offenbares Werk unseres Meisters, mit P FLOE — gezeichnet ist
(Reimers, a. a. O.).

b) Reliefs in Steht.

Fig. 4. Fig. 5-

2. Charitas (Fig. 4), in antiker Gewandung auf einer niederen Mauer sitzend, hält mit der in das
Oberkleid gewickelten Rechten ein nacktes Knäbchen, in der linken Hand einen Apfel. Das Kind hat
das eine, linke Aermchen um ihren Hals gelegt; mit der rechten Hand langt es nach der Frucht. Das
Gesicht der Charitas, in Dreiviertelprofil, ist einem zweiten Kinde zugewandt, das, hinter ihr stehend,
den Kopf auf ihre Schulter legt und mit dem linken Arme nach dem Apfel herunterlangt. Im Hinter-
grunde ein Berg, auf welchem ein tempelartiges Gebäude sichtbar ist; im Vordergrunde, die Gruppe
umrahmend, Architektur: links eine schmale Wand mit Pilaster und Bogen, rechts eine cannelirte
Säule, an deren Basis eingravirt ist: CHARIT | ATIS • PF.
 
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