Fig. i. Titelbild des Hausbuches der Cerruti.
EIN VERONESISCHES BILDERBUCH
UND DIE HÖFISCHE KUNST DES XIV. JAHRHUNDERTS.
Von
Julius von Schlosser.
I. Das Hausbuch der Cerruti.
ie Handschrift, deren wichtigste Bilder auf den folgenden Tafeln zum ersten Male
publicirt werden sollen, stammt aus den Sammlungen des Schlosses Ambras und be-
findet sich jetzt im neuen kunsthistorischen Hofmuseum zu Wien.1 Sie enthält die
ins Lateinische übersetzte Schrift eines arabischen Arztes des XII. Jahrhunderts, des
Albochasim (Albucasis, Albu-Casan-Chalaf) de Baldach, der auch ein geschätztes,
später mehrmals gedrucktes Lehrbuch der Chirurgie geschrieben hat,2 gehört also
der namentlich in Spanien und Süditalien so ausgebreiteten Uebersetzungsliteratur
aus den morgenländischen Sprachen an. Sie führt (fol. 4) den Titel: »Tacuinum sanitatis in medi-
cina« und enthält, wie in der Vorrede auseinandergesetzt wird, in Frage und Antwort diätetische Vor-
schriften über die Regelung von Speise und Trank, von Ruhe und Bewegung, Schlaf und Wachen, der
Secretionen und Excretionen, endlich der psychischen Affecte, ist also eine populäre Gesundheitslehre
für den Hausgebrauch, ein rechtes Handbüchlein, wie schon der Titel sagt, ein Taccuino. Wir können
ihm mit vollem Rechte den Namen eines Hausbuches geben. Es ist vorzugsweise für die Anschauung
1 Sammlung der kunstindustriellen Gegenstände, Saal XXIII, Vitrine I, Nr. 20. Kleinfolio 24 : 35 Centimeter, in
gepresstem »sächsischem« Lederbande des XVI. Jahrhunderts, wie er bei den aus Ambras stammenden Handschriften häufig
ist. Die sich wiederholenden, mit Stanzen eingepressten Ornamente zeigen das Monogramm Jesu, ein höfisches Paar, be-
helmte Köpfe in Medaillons, ferner den Salvator mit der Siegesfahne, die Kreuzigung und die eherne Schlange. Sacken, Die
k. k. Ambrasersammlung, II, 251, n. 77.
2 Eine Handschrift dieses Werkes (aus dem Ende des XIV. Jahrhunderts) mit Bildern, welche Operationen darstellen,
besitzt gleichfalls das Wiener Museum (Saal XXIII, Vitrine I, Nr. 23).
EIN VERONESISCHES BILDERBUCH
UND DIE HÖFISCHE KUNST DES XIV. JAHRHUNDERTS.
Von
Julius von Schlosser.
I. Das Hausbuch der Cerruti.
ie Handschrift, deren wichtigste Bilder auf den folgenden Tafeln zum ersten Male
publicirt werden sollen, stammt aus den Sammlungen des Schlosses Ambras und be-
findet sich jetzt im neuen kunsthistorischen Hofmuseum zu Wien.1 Sie enthält die
ins Lateinische übersetzte Schrift eines arabischen Arztes des XII. Jahrhunderts, des
Albochasim (Albucasis, Albu-Casan-Chalaf) de Baldach, der auch ein geschätztes,
später mehrmals gedrucktes Lehrbuch der Chirurgie geschrieben hat,2 gehört also
der namentlich in Spanien und Süditalien so ausgebreiteten Uebersetzungsliteratur
aus den morgenländischen Sprachen an. Sie führt (fol. 4) den Titel: »Tacuinum sanitatis in medi-
cina« und enthält, wie in der Vorrede auseinandergesetzt wird, in Frage und Antwort diätetische Vor-
schriften über die Regelung von Speise und Trank, von Ruhe und Bewegung, Schlaf und Wachen, der
Secretionen und Excretionen, endlich der psychischen Affecte, ist also eine populäre Gesundheitslehre
für den Hausgebrauch, ein rechtes Handbüchlein, wie schon der Titel sagt, ein Taccuino. Wir können
ihm mit vollem Rechte den Namen eines Hausbuches geben. Es ist vorzugsweise für die Anschauung
1 Sammlung der kunstindustriellen Gegenstände, Saal XXIII, Vitrine I, Nr. 20. Kleinfolio 24 : 35 Centimeter, in
gepresstem »sächsischem« Lederbande des XVI. Jahrhunderts, wie er bei den aus Ambras stammenden Handschriften häufig
ist. Die sich wiederholenden, mit Stanzen eingepressten Ornamente zeigen das Monogramm Jesu, ein höfisches Paar, be-
helmte Köpfe in Medaillons, ferner den Salvator mit der Siegesfahne, die Kreuzigung und die eherne Schlange. Sacken, Die
k. k. Ambrasersammlung, II, 251, n. 77.
2 Eine Handschrift dieses Werkes (aus dem Ende des XIV. Jahrhunderts) mit Bildern, welche Operationen darstellen,
besitzt gleichfalls das Wiener Museum (Saal XXIII, Vitrine I, Nr. 23).