Peter Flötner als Plastiker und Medailleur.
*9
getreten war. Denn mit einer Erfindung, einer gelehrten Spielerei haben wir es ja zu thun. Der deutschen
Heldensage (vgl. Wilhelm Grimm, Die deutsche Heldensage) sind selbst die Namen der Zwölf, Karl den
Grossen natürlich ausgenommen, unbekannt. Diese Erfindung scheint aber erst den Zwanzigerjahren
des XVI. Jahrhunderts anzugehören, da noch »Das büch der croniken und geschichten« von Dr.
Hartmann Schedel (1493), dann Siegmund Meisterlin's »Chronik der Deutschen« (1522) sowie Jakob
Mennel's »Hüpsche chronick von heidnischen und christenkunigen« (1523) keine Spur davon auf-
weisen. Vielleicht ist sie durch die »Porten der eeren und macht« (1515) insofern veranlasst worden,
als auf dieser gegenüber den zwölf Sippen Kaisers Maximilian I. eine Reihe von zwölf römischen
Kaisern (Julius, Augustus, Tiberius; Claudius, Vespasianus, Titus; Nerva, Traianus, Hadrianus;
Antoninus, Severus, Alexander) angebracht ist.1
Im Uebrigen sind die neun ersten fabelhaften Helden dem Tacitus entnommen, welchen die
Humanisten in ihrer nationalen Begeisterung ja so ausgiebig verwertheten, dessen »Würdigung der
Deutschen« unter anderen Pirkheimer behandelte. Die Stelle in der Germania, cap. 2, lautet:2
»Celebrant carminibus antiquis, quod unum apud illos memoriae et annalium genus est, Tui-
stonem deum terra editum (der Göttlichkeit hat Waldis seinen Tuisco entkleidet) et filium Mannum,
originem gentis conditoresque. Manno tris filios adsignant, e quorum nominibus proximi oceano In-
gaevones (Wygewon, dem wurden »die nidern land all eingethan beid ost und westen runds umbher
auf beiden seiten an demmeer« etc.), medii Herrniones3 (»Heriwon, König der Mitteldeutschen«), ceteri
Istaevones vocentur (»Eusterwon, König der obern Deutschen«). Quidam, ut in licentia vetustatis,
pluris deo ortos plurisque gentis appellationes, Marsos, Gambrivios, Suevos, Vandalios adfirmant.«
Nach Waldis war Marsus ein Sohn des Heriwon; von der Abstammung der drei folgenden Könige
wird uns nichts gemeldet. — Diese Reihe nun wird durch Anfügung dreier historischen Namen: Ario-
vist, Arminius, Karl der Grosse zur Zwölfzahl ergänzt.
Dass nicht Burkhard Waldis sondern ein älterer Humanist diese Königsreihe erfunden hat, scheint
nach Allem sicher zu sein.
' Für das noch näher zu erforschende Verhältniss Flötner's zu Burgkmair dürfte ausser dem Umstände, dass
jener Burgkmair'sche Figuren für seine Holzschnittfolge der zwölf Könige benutzte, und dass, wie schon oben (S. 5, Anm. 1)
bemerkt, als Titelblatt der »Hungern Chronica« ein Holzschnitt Burgkmair's Verwendung fand, des Weiteren noch in Betracht
gezogen werden, dass Flötner in seinen Reliefs (siehe unten S. 20f.) vielfach dieselben Stoffe behandelte, welche vor ihm der
Augsburger Meister in formell allerdings sehr verschiedener Weise bearbeitet hatte: die sieben Hauptsünden, die Tugenden,
die Planetengötter. — Sollten nicht die grossen Holzschnittwcrke Kaisers Maximilian L, derentwegen sich Burgkmair auch
so häufig in Nürnberg aufhielt, die beiden Künstler einander nahe gebracht haben.'
2 Ed. Caroli Halm.
3 Ueber die muthmassliche ursprüngliche Bedeutung dieser Namen siehe Jakob Grimm, Deutsche Mythologie, S. 285 f.
und A. 398 f.
Fig. 16.
3*
*9
getreten war. Denn mit einer Erfindung, einer gelehrten Spielerei haben wir es ja zu thun. Der deutschen
Heldensage (vgl. Wilhelm Grimm, Die deutsche Heldensage) sind selbst die Namen der Zwölf, Karl den
Grossen natürlich ausgenommen, unbekannt. Diese Erfindung scheint aber erst den Zwanzigerjahren
des XVI. Jahrhunderts anzugehören, da noch »Das büch der croniken und geschichten« von Dr.
Hartmann Schedel (1493), dann Siegmund Meisterlin's »Chronik der Deutschen« (1522) sowie Jakob
Mennel's »Hüpsche chronick von heidnischen und christenkunigen« (1523) keine Spur davon auf-
weisen. Vielleicht ist sie durch die »Porten der eeren und macht« (1515) insofern veranlasst worden,
als auf dieser gegenüber den zwölf Sippen Kaisers Maximilian I. eine Reihe von zwölf römischen
Kaisern (Julius, Augustus, Tiberius; Claudius, Vespasianus, Titus; Nerva, Traianus, Hadrianus;
Antoninus, Severus, Alexander) angebracht ist.1
Im Uebrigen sind die neun ersten fabelhaften Helden dem Tacitus entnommen, welchen die
Humanisten in ihrer nationalen Begeisterung ja so ausgiebig verwertheten, dessen »Würdigung der
Deutschen« unter anderen Pirkheimer behandelte. Die Stelle in der Germania, cap. 2, lautet:2
»Celebrant carminibus antiquis, quod unum apud illos memoriae et annalium genus est, Tui-
stonem deum terra editum (der Göttlichkeit hat Waldis seinen Tuisco entkleidet) et filium Mannum,
originem gentis conditoresque. Manno tris filios adsignant, e quorum nominibus proximi oceano In-
gaevones (Wygewon, dem wurden »die nidern land all eingethan beid ost und westen runds umbher
auf beiden seiten an demmeer« etc.), medii Herrniones3 (»Heriwon, König der Mitteldeutschen«), ceteri
Istaevones vocentur (»Eusterwon, König der obern Deutschen«). Quidam, ut in licentia vetustatis,
pluris deo ortos plurisque gentis appellationes, Marsos, Gambrivios, Suevos, Vandalios adfirmant.«
Nach Waldis war Marsus ein Sohn des Heriwon; von der Abstammung der drei folgenden Könige
wird uns nichts gemeldet. — Diese Reihe nun wird durch Anfügung dreier historischen Namen: Ario-
vist, Arminius, Karl der Grosse zur Zwölfzahl ergänzt.
Dass nicht Burkhard Waldis sondern ein älterer Humanist diese Königsreihe erfunden hat, scheint
nach Allem sicher zu sein.
' Für das noch näher zu erforschende Verhältniss Flötner's zu Burgkmair dürfte ausser dem Umstände, dass
jener Burgkmair'sche Figuren für seine Holzschnittfolge der zwölf Könige benutzte, und dass, wie schon oben (S. 5, Anm. 1)
bemerkt, als Titelblatt der »Hungern Chronica« ein Holzschnitt Burgkmair's Verwendung fand, des Weiteren noch in Betracht
gezogen werden, dass Flötner in seinen Reliefs (siehe unten S. 20f.) vielfach dieselben Stoffe behandelte, welche vor ihm der
Augsburger Meister in formell allerdings sehr verschiedener Weise bearbeitet hatte: die sieben Hauptsünden, die Tugenden,
die Planetengötter. — Sollten nicht die grossen Holzschnittwcrke Kaisers Maximilian L, derentwegen sich Burgkmair auch
so häufig in Nürnberg aufhielt, die beiden Künstler einander nahe gebracht haben.'
2 Ed. Caroli Halm.
3 Ueber die muthmassliche ursprüngliche Bedeutung dieser Namen siehe Jakob Grimm, Deutsche Mythologie, S. 285 f.
und A. 398 f.
Fig. 16.
3*