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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 16.1895

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Abhandlungen
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Schneider, Robert: Kora
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https://doi.org/10.11588/diglit.5778#0149
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Robert von Schneider.

Arbeit gethan, kam die Reihe an die Forscher, und wie skeptisch diese sich ihr gegenüber verhalten
mochten, so gelang es ihnen doch zuweilen nicht leicht und oft sehr spät, sich von ihr unabhängig zu
machen.

Auch der Statue,1 deren Gesammtbild Taf. X und deren Kopf Taf. XI in zwei Ansichten zeigt,
gab ihr Ergänzer den Namen, den sie bisher führte. Er hatte ihr vor Allem Arme und Hände anzu-
fügen: den rechten Arm sammt der vom Aermel des Untergewandes bedeckten Schulter und den linken
Vorderarm mit dem Theile des Mantels, der über ihn geworfen war. Der in zwei Stücke gespaltene
Kopf, obgleich vom Rumpfe getrennt gefunden, gehörte ohne jeden Zweifel zur Figur. Es passen nicht
nur die Bruchflächen des Halses und des Torsos auf das genaueste aneinander sondern auch das gelbe
Geäder und die Risse des weissen Marmors2 setzen sich quer über den Bruch vom Hals gegen die Brust
hin fort. Gleichwie die ovale Basis3 war auch der Kopf mit der übrigen Figur aus einem einzigen
Steinblocke gemeisselt, nicht wie so oft an antiken Statuen aus einem besonderen Stücke gearbeitet
und angefügt. Er ist nur an wenigen Stellen fast unmerklich abgestossen. Leider wurde das Gesicht
geputzt und leicht überarbeitet, so dass es flau und verwaschen aussieht. Neu ist an ihm der linke
Nasenflügel mit der Nasenspitze. Sonst waren noch zahlreiche Flicken im Gewände einzusetzen und die
äussersten Glieder der beiden grossen Zehen sammt dem Rande der Sandalen zu ergänzen. Alles in Allem
gehörte der Restaurator nicht zu den schlimmsten. Er hat auch den Armen im ganzen die richtige
Haltung gegeben. Indem er die Figur mit Flöten ausstattete, machte er sie zu einer Muse, zu Euterpe.

So ergänzt brachte sie Fürst Stanislaus Poniatowski aus Italien* nach Wien, derselbe, nach dem
die berühmte Vase des Museo Gregoriano mit der Darstellung des Triptolemos ihren Beinamen erhielt.
Die Muse schmückte seine Wohnung in der Praterstrasse. Als er aber diese räumte und seine Häuser
verkaufte, Hess er dem Abbe Neumann, dem verdienten Nachfolger Eckhel's in der Direction der kaiser-
lichen. Münzen- und Antikensammlung, mit dem er schon 1799 Antiquitäten und Münzen vertauscht
hatte,"1 die Statue nebst drei marmornen Köpfen zum Preise von 8000 Gulden anbieten. Der Abbe
empfahl in einem vom 26. August 1806 datirten Berichte Kaiser Franz dem Ersten den Ankauf der Muse,
»ob sie gleich restauriret worden und in Beziehung auf Kunst bei weitem nicht zur ersten Classe gehört«.
Seines Erachtens könnten aber für sie und die drei Köpfe, von denen ein einziger schön, die beiden
anderen sehr restaurirt und ergänzt seien, nur 5000, für sie und den einen guten Kopf aber nur
4500 Gulden geboten werden. Auch der Bildhauer Zauner, der die Antiken gesehen habe, wäre mit
ihm gleicher Meinung. »Da bis itzt das k. k. Antikenkabinet wohl ziemlich viele Büsten aber keine
Statue besitzet, so wäre es schade, wenn diese Gelegenheit, dergleichen sich nur selten ergeben, ent-
wischen sollte,« und er bäte daher um die Erlaubnis, wegen des Kaufes hierüber in Unterhandlung
treten zu dürfen. Schon zwei Tage später ermächtigte ihn der Kaiser zum Ankaufe der Statue, der
aber erst am i3. October abgeschlossen wurde, da der Fürst sich lange sträubte, sie von den Köpfen zu
trennen. Sie wurde für 4500 Gulden erstanden." Zwei andere Antiken, die aus Poniatowskis Besitz

1 Saal XI, Nr. 200. Gesammthöhc 1-59 Meter; die Basis ist o-o8 Meter hoch. Der Kopf misst vom Haaransatz bis
zum Kinn 0-152 Meter.

2 E. v. Sacken, Die antiken Sculpturen, S. 24, nennt den Marmor italienisch; ich glaube nicht mit Recht.

J Zwei über I Centimeter tiefe, runde Löcher zu Seiten der Füsse am Rande der ovalen Basis waren vermuthlich
zur Aufnahme von zwei eisernen oder bronzenen Klammern bestimmt, die die Statue auf dem Sockel festhalten sollten.

4 Sickler in Bertuch's Journale »Paris, Wien und London«, I (1811), S. 33$, sagt, dass sie »in der Gegend von Rom«
gefunden wurde, vielleicht nach einer mündlichen Mittheilung Neumann's, der sie wieder vom Fürsten Poniatowski haben
konnte.-

5 In diesem Jahre gab Poniatowski für einen auf [200 Gulden geschätzten »schönen aber nicht gravirten Onyx»
sechs griechische Silbermünzen, antike Finger- und Ohrringe aus Gold, Glaspasten, ein Brustbild der Isis von bedeutender
Grösse, hinten mit Hieroglyphen, »ein kostbares Stück« (Saal V, Nr. 16, eigentlich die Büste eines Erbfürsten aus der
saitischen Periode; vgl. E. v. Bergmann in der Zeitschrift für ägyptische Sprache und Alterthumskunde 1880, S. 51) und
nebst neun geschnittenen Steinen den schönen Cameo mit den Brustbildern der Demeter und Kora (Saal XIV, Schrank V,
Nr. 21), abgebildet in Arneth, Die antiken Cameen, Taf. XVIII, 4 und als Schlussvignette dieses Aufsatzes.

6 Ich entnehme diese Daten den im Archive der Münzen- und Antikensammlung aufbewahrten Schriftstücken, aus
welchen auch Josef Bergmann, Pflege der Numismatik in Oesterreich, III, S. 23 (Sitzungsberichte der philos.-histor. Classe
der kais. Akademie der Wissenschaften, XXVIII [1858], S. 557) geschöpft hat.
 
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