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Julius von Schlosser.
des Stoffes entsprungen und ganz allgemein und schematisch (Dantebildniss in Bargello). Und vergeb-
lich wird man dort eine so lebendige Gruppe wie die der heiligen Lucia und der beiden Büttel suchen;
allein die Gestalt der Heiligen mit dem grossartigen schweren Faltenwurf ihres Mantels ist eine Leistung
ersten Ranges (Fig. 23).
So zeigt sich hier in formaler Beziehung eine tiefe Kluft zwischen Toscana und Oberitalien.
Aber auch die Stoffgebiete sind durchaus verschieden; die hier mit Vorliebe behandelten profanen
Sujets im Geiste der Ritterdichtung sind dort so fremd wie umgekehrt im Norden die grossen schola-
stischen Compositionen. Spinello Aretino hat im Palazzo communale einen ganz ähnlichen Stoff wie
Guariento im Dogenpalast zu Venedig gemalt, den Kampf der lombardischen Städte gegen Barbarossa.
Fig. 18. Zeichnung des Altichiero(?) im Louvre. F;g- l9- Kopf der heil. Lucia
... , ...... aus einem Fresco in S. Gioreio zu Padua.
(Nach Müntz.) ö
(Nach einer Photographie von Alinari.)
Sind dies ziemlich conventionelle Schlachtenbilder im alten Stil, so wurde dort das Hauptgewicht auf
das Repräsentative, festlich Glänzende in Aufzügen und Versammlungen gelegt, wie auch in der spä-
teren venezianischen Kunst. Wie man in Toscana ein zeitgeschichtliches Ereigniss behandelte, sehen
wir an jenem Fresco der Vertreibung des Herzogs von Athen aus Florenz, das sich im Stiegenhaus
der Academia filarmonica befindet. Der ganze Vorgang ist hier ins Allegorische, Uebersinnliche hinüber-
gespielt. Wie ganz anders mögen die Fresken im Palast der Carraresen oder die Thaten des Conne-
table von Frankreich auf den flandrischen Arazzi ausgesehen haben? Darin zeigt sich eben der
Zusammenhang der oberitalienischen mit der transalpinen Kunst, ihre Stoffgemeinschaft; an solchen
Vorwürfen, die sich unmittelbar an das Leben anlehnen, ist die neue Kunst diesseits und jenseits der
Alpen gross geworden.
Die Freude an der realistischen Durchbildung der menschlichen Gestalt ist nicht allein in den
alten Fresken des Santo zu verspüren. Der Louvre besitzt unter dem Namen des Pisanello eine merk-
Julius von Schlosser.
des Stoffes entsprungen und ganz allgemein und schematisch (Dantebildniss in Bargello). Und vergeb-
lich wird man dort eine so lebendige Gruppe wie die der heiligen Lucia und der beiden Büttel suchen;
allein die Gestalt der Heiligen mit dem grossartigen schweren Faltenwurf ihres Mantels ist eine Leistung
ersten Ranges (Fig. 23).
So zeigt sich hier in formaler Beziehung eine tiefe Kluft zwischen Toscana und Oberitalien.
Aber auch die Stoffgebiete sind durchaus verschieden; die hier mit Vorliebe behandelten profanen
Sujets im Geiste der Ritterdichtung sind dort so fremd wie umgekehrt im Norden die grossen schola-
stischen Compositionen. Spinello Aretino hat im Palazzo communale einen ganz ähnlichen Stoff wie
Guariento im Dogenpalast zu Venedig gemalt, den Kampf der lombardischen Städte gegen Barbarossa.
Fig. 18. Zeichnung des Altichiero(?) im Louvre. F;g- l9- Kopf der heil. Lucia
... , ...... aus einem Fresco in S. Gioreio zu Padua.
(Nach Müntz.) ö
(Nach einer Photographie von Alinari.)
Sind dies ziemlich conventionelle Schlachtenbilder im alten Stil, so wurde dort das Hauptgewicht auf
das Repräsentative, festlich Glänzende in Aufzügen und Versammlungen gelegt, wie auch in der spä-
teren venezianischen Kunst. Wie man in Toscana ein zeitgeschichtliches Ereigniss behandelte, sehen
wir an jenem Fresco der Vertreibung des Herzogs von Athen aus Florenz, das sich im Stiegenhaus
der Academia filarmonica befindet. Der ganze Vorgang ist hier ins Allegorische, Uebersinnliche hinüber-
gespielt. Wie ganz anders mögen die Fresken im Palast der Carraresen oder die Thaten des Conne-
table von Frankreich auf den flandrischen Arazzi ausgesehen haben? Darin zeigt sich eben der
Zusammenhang der oberitalienischen mit der transalpinen Kunst, ihre Stoffgemeinschaft; an solchen
Vorwürfen, die sich unmittelbar an das Leben anlehnen, ist die neue Kunst diesseits und jenseits der
Alpen gross geworden.
Die Freude an der realistischen Durchbildung der menschlichen Gestalt ist nicht allein in den
alten Fresken des Santo zu verspüren. Der Louvre besitzt unter dem Namen des Pisanello eine merk-