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Julius von Schlosser.
Fresken (Fig. 21). Endlich zeigt sich seine Abhängigkeit von der älteren Kunst in kirchlichen Typen,
wie z. B. in der Annunziata des Frescos in S. Fermo.1
Ein nicht verächtlicher Zeuge des veronesischen Kunstlebens kurz vor dem Auftreten Pisanello's
ist endlich das Hausbuch der Cerruti, von dem wir ausgegangen sind. Es hat umsomehr Werth, als
die Reste von Gemälden aus dem profanen Stoffgebiete, wie wir gesehen haben, äusserst gering sind,
unsere Kunde von ihnen zumeist nur eine literarische ist.
Das Hausbuch gehört durchaus dem Kreise der höfischen Kunst an, nicht nur wegen seiner Dar-
stellungen aus dem ritterlichen Leben, wie von Jagden, von Tanz und Spiel, von Singen und Minnen;
auch die Scenen aus dem gewöhnlichsten Alltagsleben in niederer Sphäre sind in diesem Kreise aus-
gebildet worden, nicht zuletzt durch die Kunst der Enlumineurs, die für die Bibliotheken der Fürsten
und Vornehmen solche Haus- und Pflanzenbücher, Kaiendarien und Encyklopädien zu liefern hatten.
Fig. 23. S. Lucia vor dem Richter in S. Giorgio zu Padua.
So entstammt denn auch unser Codex einer adeligen Privatbibliothek: selbst im demokratischen Italien
hat das Bürgerthum erst nach der Wende des Trecento das Erbe des zweiten Standes angetreten. Die
Pflege der profanen Kunst lag bis dahin fast ausschliesslich in den Händen des Adels.
Es ist ebenfalls schon gezeigt worden, wie der neue Stil nicht zum Wenigsten an den profanen
Stoffen, die ein näheres Verhältniss zur Natur und zum Menschen forderten, seine erste Nahrung fand.
Auch das Hausbuch der Cerruti lässt uns die Elemente der neuen Auffassung, freilich im Rahmen
einer Kleinkunst, erkennen. Ein liebevolles und geduldiges Eingehen auf die Natur war schon durch
die Bestimmung der Handschrift gegeben: aber die Miniatoren erheben sich über die trockene und
schematische Nachbildung der Naturformen durch den treuen und sicheren Blick für das Detail des
alltäglichen Lebens, das sie nicht ohne Humor zu schildern wissen, soweit ihnen eben die noch un-
geübte Hand nicht den Dienst versagt. Darin liegt neben dem culturhistorischen Werthe die Be-
deutung des Hausbuches für die Geschichte der Kunst, speciell der oberitalienischen. Wenn auch nur
1 Photographie von Lotze in Verona.
Julius von Schlosser.
Fresken (Fig. 21). Endlich zeigt sich seine Abhängigkeit von der älteren Kunst in kirchlichen Typen,
wie z. B. in der Annunziata des Frescos in S. Fermo.1
Ein nicht verächtlicher Zeuge des veronesischen Kunstlebens kurz vor dem Auftreten Pisanello's
ist endlich das Hausbuch der Cerruti, von dem wir ausgegangen sind. Es hat umsomehr Werth, als
die Reste von Gemälden aus dem profanen Stoffgebiete, wie wir gesehen haben, äusserst gering sind,
unsere Kunde von ihnen zumeist nur eine literarische ist.
Das Hausbuch gehört durchaus dem Kreise der höfischen Kunst an, nicht nur wegen seiner Dar-
stellungen aus dem ritterlichen Leben, wie von Jagden, von Tanz und Spiel, von Singen und Minnen;
auch die Scenen aus dem gewöhnlichsten Alltagsleben in niederer Sphäre sind in diesem Kreise aus-
gebildet worden, nicht zuletzt durch die Kunst der Enlumineurs, die für die Bibliotheken der Fürsten
und Vornehmen solche Haus- und Pflanzenbücher, Kaiendarien und Encyklopädien zu liefern hatten.
Fig. 23. S. Lucia vor dem Richter in S. Giorgio zu Padua.
So entstammt denn auch unser Codex einer adeligen Privatbibliothek: selbst im demokratischen Italien
hat das Bürgerthum erst nach der Wende des Trecento das Erbe des zweiten Standes angetreten. Die
Pflege der profanen Kunst lag bis dahin fast ausschliesslich in den Händen des Adels.
Es ist ebenfalls schon gezeigt worden, wie der neue Stil nicht zum Wenigsten an den profanen
Stoffen, die ein näheres Verhältniss zur Natur und zum Menschen forderten, seine erste Nahrung fand.
Auch das Hausbuch der Cerruti lässt uns die Elemente der neuen Auffassung, freilich im Rahmen
einer Kleinkunst, erkennen. Ein liebevolles und geduldiges Eingehen auf die Natur war schon durch
die Bestimmung der Handschrift gegeben: aber die Miniatoren erheben sich über die trockene und
schematische Nachbildung der Naturformen durch den treuen und sicheren Blick für das Detail des
alltäglichen Lebens, das sie nicht ohne Humor zu schildern wissen, soweit ihnen eben die noch un-
geübte Hand nicht den Dienst versagt. Darin liegt neben dem culturhistorischen Werthe die Be-
deutung des Hausbuches für die Geschichte der Kunst, speciell der oberitalienischen. Wenn auch nur
1 Photographie von Lotze in Verona.