Raffaels Werkstätte.
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A. Springer hat es zuerst ausgesprochen, dass das Badezimmer wahrscheinlich auf den Wunsch
des Cardinais zurückgeht, ein den antiken Räumen — der Titusthermen vielleicht — ähnlich deco-
rirtes Gemach zu besitzen, und in der That haben die Malereien mit den römischen so viel gemein,
dass wir geradezu auf ein Muster denken möchten, dem die Schüler gefolgt wären. Nicht nur die
Grotesken für sich, auch die Nachempfindung antiker Vorlagen bei den Eroten am unteren Wand-
saume, insbesondere aber die ganze Eintheilung des Raumes, die Farbenwahl von Schwarz für den
Sockel, Roth für die Wandfelder sind es, die dafür sprechen möchten, wie nicht minder unbedeutendes
aber in seiner Durchführung um so charakteristischeres Detail, z. B. die Weise, wie die Bilder in die
Wandfelder eingesetzt sind, die so ihren Ursprung nur in der Antike haben kann. Hier sehen wir eine
Anlehnung an die alte Kunst, die den Maler fast zum Copisten macht.
Und wie das Einzelne der Decoration von den antiken Monumenten abhängt, so sind die Gegen-
stände der Bilder aus den classischen Schriftstellern genommen, zu denen sie, namentlich die aus Ovids
Metamorphosen, vollständige Illustrationen sind.
Fig. 12. G. F. Penni. Hephaistos und Athene. Fig. i3. G. F. Penni. Die Geburt der Venus.
(Fresco aus dem Badezimmer.) {Fresco aus dem Badezimmer.)
Es war nur natürlich, dass Bibbiena im Einklänge mit der humanistischen Gesellschaft Roms die
Gegenstände aus dem ihnen so vertrauten und über Alles lieben Sagenkreise der Venus verkörpert
sehen wollte, zu dem beide in einem mehr als literarischen Verhältnisse standen; für Raffael und seine
Schule schuf er aber damit ein neues Element. Der Meister fand in den frischen, heiteren Ideen
belebende Nahrung und es eröffnete ihm die Beschäftigung mit den mythologischen Vorstellungen an
und für sich, wenn er auch deren Ausführung fast immer ferne stand, zugleich eine neue Welt, in
der er sich bald heimisch fühlte. Er war der Antike vergeblich gefolgt, um ihr für seinen Bau die
Formen abzulauschen; nun empfing er von ihr für das, was sie ihm versagte, reichlich Gedanken,
die seiner sinnlichen Natur so sehr zusagen mussten und denen er leicht in gleicher Vollkommenheit
wie seinen religiösen Stoffen Leben und Anmuth einzuhauchen verstand. Das liess auch in der Werk-
stätte ein neues Licht aufgehen; nicht lange, so bezeugte sie nicht minder den Umschwung, der in
ihrem Meister vorgegangen war. Zwar blieb Penni stets mehr der von seinem Lehrer in der ersten Zeit
befolgten religiösen Kunstrichtung treu und gab sich ihr zum Schlüsse vollständig hin; Giulio Romano
aber, der sich zeitlebens »antikisch« angeregt fühlte, warf sich mit Leidenschaft auf das neue Stoff-
gebiet und wurde damit in Kurzem der hervorragendste Fortsetzer von Raffael's Wirken in den letzten
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A. Springer hat es zuerst ausgesprochen, dass das Badezimmer wahrscheinlich auf den Wunsch
des Cardinais zurückgeht, ein den antiken Räumen — der Titusthermen vielleicht — ähnlich deco-
rirtes Gemach zu besitzen, und in der That haben die Malereien mit den römischen so viel gemein,
dass wir geradezu auf ein Muster denken möchten, dem die Schüler gefolgt wären. Nicht nur die
Grotesken für sich, auch die Nachempfindung antiker Vorlagen bei den Eroten am unteren Wand-
saume, insbesondere aber die ganze Eintheilung des Raumes, die Farbenwahl von Schwarz für den
Sockel, Roth für die Wandfelder sind es, die dafür sprechen möchten, wie nicht minder unbedeutendes
aber in seiner Durchführung um so charakteristischeres Detail, z. B. die Weise, wie die Bilder in die
Wandfelder eingesetzt sind, die so ihren Ursprung nur in der Antike haben kann. Hier sehen wir eine
Anlehnung an die alte Kunst, die den Maler fast zum Copisten macht.
Und wie das Einzelne der Decoration von den antiken Monumenten abhängt, so sind die Gegen-
stände der Bilder aus den classischen Schriftstellern genommen, zu denen sie, namentlich die aus Ovids
Metamorphosen, vollständige Illustrationen sind.
Fig. 12. G. F. Penni. Hephaistos und Athene. Fig. i3. G. F. Penni. Die Geburt der Venus.
(Fresco aus dem Badezimmer.) {Fresco aus dem Badezimmer.)
Es war nur natürlich, dass Bibbiena im Einklänge mit der humanistischen Gesellschaft Roms die
Gegenstände aus dem ihnen so vertrauten und über Alles lieben Sagenkreise der Venus verkörpert
sehen wollte, zu dem beide in einem mehr als literarischen Verhältnisse standen; für Raffael und seine
Schule schuf er aber damit ein neues Element. Der Meister fand in den frischen, heiteren Ideen
belebende Nahrung und es eröffnete ihm die Beschäftigung mit den mythologischen Vorstellungen an
und für sich, wenn er auch deren Ausführung fast immer ferne stand, zugleich eine neue Welt, in
der er sich bald heimisch fühlte. Er war der Antike vergeblich gefolgt, um ihr für seinen Bau die
Formen abzulauschen; nun empfing er von ihr für das, was sie ihm versagte, reichlich Gedanken,
die seiner sinnlichen Natur so sehr zusagen mussten und denen er leicht in gleicher Vollkommenheit
wie seinen religiösen Stoffen Leben und Anmuth einzuhauchen verstand. Das liess auch in der Werk-
stätte ein neues Licht aufgehen; nicht lange, so bezeugte sie nicht minder den Umschwung, der in
ihrem Meister vorgegangen war. Zwar blieb Penni stets mehr der von seinem Lehrer in der ersten Zeit
befolgten religiösen Kunstrichtung treu und gab sich ihr zum Schlüsse vollständig hin; Giulio Romano
aber, der sich zeitlebens »antikisch« angeregt fühlte, warf sich mit Leidenschaft auf das neue Stoff-
gebiet und wurde damit in Kurzem der hervorragendste Fortsetzer von Raffael's Wirken in den letzten