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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 16.1895

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Abhandlungen
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Dollmayr, Hermann: Raffaels Werkstätte
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https://doi.org/10.11588/diglit.5778#0351
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Raffaels Werkstätte.

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monie geraubt hat. Die zweite Klage gilt Raffael selbst, der seine Schüler neuerdings allzu frei schalten
Hess und dadurch bereits den Tadel des Leonardo Sellajo erfahren musste, »die Loggia sei ein schmäh-
liches Ding für einen grossen Meister, viel schlechter als die letzte Stanze«. Das Urtheil ist zwar herbe,
hat aber zum Theile seine Berechtigung, hauptsächlich deshalb, weil sich die Schüler nicht gewissen-
haft an des Meisters Zeichnungen hielten. Ich habe davon schon früher gehandelt, als ich bei den
Teppichen über das Gewand sprach und nachwies, dass es ein Kriterium zur Abschätzung ihres An-
theiles bilden darf. Ich habe damals auch durch Beispiele hervorgehoben, wie weit sich diese Abwei-
chungen vom Entwürfe erstrecken, warum wir uns demnach nicht wundern dürfen, wenn die Bilder
unseren Vorstellungen von Raffaelischer Grösse nur entfernt nahekommen.

An sie selbst hat ja Raffael wohl nie anders Hand angelegt, als dass er ihnen gelegentlich da und
dort ein paar Retouchen gab; denn was die gewisse Rückenfigur der einen Grazie anbelangt, so ist die
fast allgemeine Meinung, dass sie von Raffael eigenhändig gemalt wäre und gewissermassen den Schülern
als Muster gedient habe, nur darauf zurückzuführen, dass sie eben besser als alle übrigen, vielleicht
sogar ganz unversehrt erhalten ist, wodurch uns eigentlich ein Urtheil darüber möglich wäre, wie viel
höher an Schönheit und künstlerischem Werthe die Gemälde vor ihrem Verderben und ihrer Wieder-
herstellung gestanden haben müssen.'

Ihr Vorwurf, ihre Beziehungen zur Antike, ihre poetische Schönheit waren bereits allzuoft
Gegenstand der Betrachtung berufenerer Männer gewesen, als dass ich es wagen dürfte, hier nochmals
darauf zurückzukommen; ich will darum nur auf das eingehen, was meine eigentliche Aufgabe be-
trifft. Dass die Anordnung des ganzen Bilderschmuckes Raffael angehört, kann wohl nicht bezweifelt
werden; ebenso, glaube ich, steht es fest, dass er, wie ich soeben hervorgehoben habe, die Compositionen,
ausgenommen die der Deckenbilder, bis ins Einzelne feststellte. Die Ausführung jedoch überliess er
nach seiner Gewohnheit der Werkstätte. Diese übertrug die corrigirten Cartons auf die Wand und

i Wie schon A. Springer, Raffael und Michelangelo II, p. 168, bemerkt.

Fig. 25. Giulio Romano. Amor zeigt den Grazien die Psyche.

iFarncsina.l
 
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