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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 16.1895

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Abhandlungen
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Dollmayr, Hermann: Raffaels Werkstätte
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https://doi.org/10.11588/diglit.5778#0352
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312

Hermann Dollmayr.

malte die Fresken fertig. Vasari nennt als den dabei in hervorragendster Weise thätigen Schüler Giulio
Romano, der nach ihm »den grössten Theil der Bilder in der Loggia von Agostino Chigi« vollendet
hätte. Und in der That ergibt der Augenschein trotz der Beschädigungen, dass die Fresken in den Ge-
wölbezwickeln bis auf »Venus vor Jupiter«, »Merkur, der zur Erde fährt« und »Merkur, der Psyche in
den Olymp bringt«, von derselben Hand ausgeführt worden sind, welche die Bilder für Franz I. schuf.
Wir brauchen dazu nur das Gesicht der mittleren Grazie auf dem Bilde, wo ihnen »Amor die Psyche
zeigt« (Fig. 25), mit den Frauengesichtern auf diesen Tafeln sowie die fliegenden, bandartigen Ge-
wänder die gleich flachen Schläuchen die Gestalt umflattern, mit dem Mantel des »heil. Michael«
zu vergleichen und zu beobachten, wie die weiblichen Körper robuster gebildet sind als die in den
Loggien, z. B. auf der »Erschaffung der Eva« oder der »Austreibung aus dem Paradiese«. Bis auf die
drei herausgehobenen Fresken: »Venus vor Jupiter«, »Merkur, der zur Erde fährt« und »Merkur, der
Psyche in den Olymp bringt« sind alle Bilder von Giulio (siehe auch Fig. 26).

Penni legte seine Frauengestalten immer kleiner und zierlicher an, mit schmalen Schultern,
deren Linie vom Halse ab im schwachen Bogen in die Arme übergeht. Auch lässt er im Gegensatze
zu seinem Genossen, der die Linie ihrer Augenbogen immer bestimmt zeichnet und sie in der Profil-
stellung sogar etwas über die Stirne vorführt, langsam in die Augenhöhle verlaufen und gestaltet
diese selbst durch eine eigenthümliche Schattengebung zu einer runden Grube, der nur eine leichte
Linie an Stelle der Brauen mehr Form verleiht. Ebenso führt er den Schatten an den Wangen von
den Nasenflügeln her gegen das Ohr zu im Bogen und setzt die Lichter an den Schläfen und der
Nase scharf auf, so dass die Gesichter voll und bausbackig werden und im Ausdrucke etwas Erstauntes
bekommen, wie wir es z. B. bei der »Venus vor Jupiter« sahen (Fig. 16 und 27). Hier haben wir das-
selbe naive Gesichtchen wie bei der vertriebenen Eva, dieselben runden Schultern mit den vollen,
weichen Armen und dieselben zarten Brüste; für sie kann also kein Zweifel bestehen, dass sie von
Penni gemalt ist. Aber auch der Jupiter, zu dem sie spricht, ist ihr gleich in der Behandlung; er er-
scheint im Gegensatze zu dem Giulio's, der Amor küsst, wieder weniger kräftig und musculös. Zwar

Fig. 26. Giulio Romano. Psyche bringt Venus die Salbe der Proserpina.

(Farnesina.)
 
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