Raffaels Werkstätte.
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worauf er damit den Anfang machte (alle quali egli diede principio).« 1 Allein wie Raffael nie
etwas auf lange Zeit vorbereitete, so wird er auch gestorben sein, ohne einen einzigen Federstrich für
die Fresken gezogen zu haben. Alles, womit er den Anfang machte, beschränkte sich sicherlich nur
auf die allgemeine Eintheilung, wenn man will, auf die Feststellung des Gerüstes, in das die einzelnen
Theile nach ihrer Ausgestaltung einzufügen waren. Hatte man ja doch, wie aus dem Briefe Sebastia-
no's vom 27. October 1520 hervorgeht, so viel später noch nicht einmal die Auswahl der Gegenstände
endgiltig getroffen.
Erst als der Streit entschieden war, wer überhaupt den Saal bekommen sollte, scheinen mir die
Schüler daran gegangen zu sein, in diese fixirte ornamentale Austheilung der Flächen eine der beiden
Fig. 29. G. F. Penni. Skizze zu den Fresken im Constantinssaale.
(Oxford.)
Figuren zu malen, nicht lange vor der Mittheilung Bibbiena's von der Entschliessung des Papstes;
denn sonst hätte Sebastiano, der doch gewiss scharf über die ganze Entwicklung der ihm so nahe
gehenden Angelegenheit wachte, die Thatsache ihrer Vollendung nicht erst durch den Cardinal zu er-
fahren gebraucht. Ihre Ausführung fällt somit nicht mehr in die Lebenszeit Raffaels sondern, wie aus
diesem Zusammenhange hervorgeht, in die letzten Sommermonate des Jahres 1520, und zwar die eine
Figur etwas vor, die zweite etwas nach dem Zeitpunkte der Abfassung jenes Schreibens.
Durch den Streit selbst wird es auch begreiflicher, warum man in der Werkstätte Raffaels zu
einem neuen Malverfahren griff. Sebastiano war nämlich damals beschäftigt, zu San Pietro in montorio
die »Geisselung Christi« nach einem neuen Verfahren in Oel auf die Wand zu malen, und nichts sieht
ihm ähnlicher, als dass er mit seiner Erfindung, welche die Vorzüge der Fresco- mit der der Oel-
technik vereinen sollte, gross geflunkert haben wird. Den armen Erben Raffaels, die ohnehin mit Bangen
1 Vasari IV, 644.
XVI.
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worauf er damit den Anfang machte (alle quali egli diede principio).« 1 Allein wie Raffael nie
etwas auf lange Zeit vorbereitete, so wird er auch gestorben sein, ohne einen einzigen Federstrich für
die Fresken gezogen zu haben. Alles, womit er den Anfang machte, beschränkte sich sicherlich nur
auf die allgemeine Eintheilung, wenn man will, auf die Feststellung des Gerüstes, in das die einzelnen
Theile nach ihrer Ausgestaltung einzufügen waren. Hatte man ja doch, wie aus dem Briefe Sebastia-
no's vom 27. October 1520 hervorgeht, so viel später noch nicht einmal die Auswahl der Gegenstände
endgiltig getroffen.
Erst als der Streit entschieden war, wer überhaupt den Saal bekommen sollte, scheinen mir die
Schüler daran gegangen zu sein, in diese fixirte ornamentale Austheilung der Flächen eine der beiden
Fig. 29. G. F. Penni. Skizze zu den Fresken im Constantinssaale.
(Oxford.)
Figuren zu malen, nicht lange vor der Mittheilung Bibbiena's von der Entschliessung des Papstes;
denn sonst hätte Sebastiano, der doch gewiss scharf über die ganze Entwicklung der ihm so nahe
gehenden Angelegenheit wachte, die Thatsache ihrer Vollendung nicht erst durch den Cardinal zu er-
fahren gebraucht. Ihre Ausführung fällt somit nicht mehr in die Lebenszeit Raffaels sondern, wie aus
diesem Zusammenhange hervorgeht, in die letzten Sommermonate des Jahres 1520, und zwar die eine
Figur etwas vor, die zweite etwas nach dem Zeitpunkte der Abfassung jenes Schreibens.
Durch den Streit selbst wird es auch begreiflicher, warum man in der Werkstätte Raffaels zu
einem neuen Malverfahren griff. Sebastiano war nämlich damals beschäftigt, zu San Pietro in montorio
die »Geisselung Christi« nach einem neuen Verfahren in Oel auf die Wand zu malen, und nichts sieht
ihm ähnlicher, als dass er mit seiner Erfindung, welche die Vorzüge der Fresco- mit der der Oel-
technik vereinen sollte, gross geflunkert haben wird. Den armen Erben Raffaels, die ohnehin mit Bangen
1 Vasari IV, 644.
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