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Hermann Dollma)'r.
dem Ausgange des Streites entgegensahen, blieb darum schon deshalb nichts Anderes übrig, als gleichfalls
auf ein ähnliches Mittel zu sinnen, um nicht etwa gerade in einer solchen Modesache zu unterliegen.
Raffael hatte sich aus der Nebenbuhlerschaft Sebastiano's nie viel gemacht und würde auch kaum in
einem technischen Verfahren mit ihm gewetteifert haben. Der boshafte Venezianer hätte es sonst ge-
wiss nicht versäumt, dem »principe della sinagoga« wegen der Nachahmung seiner Erfindung, die er
den Schülern noch hingehen Hess, eines am Zeuge zu flicken.
Im Anschlüsse an die so zu Stande gekommenen beiden allegorischen Figuren scheint man dann
auch die damals bereits projectirte Schlacht begonnen zu haben; das berichtet uns wenigstens Vasari.
Sie gedieh aber, wie er sagt, nicht über die Grundirung hinaus und diese schlug man wieder herab,
-_ . — . - - : rr ■ , n — ' 1 — 7-
Fig. 3o. G. F. Pcnni. Skizze zu den Fresken im Constantinssaale.
(Oxford.)
als man unter Clemens VII. daranging, die durch Leo X. Tod und die Regierung Hadrian VI. unter-
brochene Arbeit ernstlich aufzunehmen.
Hatte Raffael demnach thatsächlich nichts für den Saal vorbereitet, so scheinen doch die Schüler
so gethan zu haben, als wären sie im Besitze von Entwürfen ihres Meisters gewesen; denn Sebastiano
erwähnt in einem seiner Briefe die Aeusserung des Papstes, »sie hätten Zeichnungen von seiner Hand«.
Dass sie mit solchen herausrückten, war ihrerseits eine Waffe, um den gefährlichen Gegner aus dem
Felde zu schlagen, eine Waffe, die sie sich jedoch selbst geschmiedet hatten. Ein Theil dieser frag-
würdigen Zeichnungen ist wahrscheinlich in den drei Oxforder Skizzen zu erkennen, von denen die
beiden ersten Kämpfe von nackten Männern untereinander und um eine Fahne darstellen, daher für die
Schlacht bestimmt sein mochten, die dritte eine Knebelung von Besiegten zeigt, also ganz gut für
einen Entwurf Raffaels zu der von Sebastiano erwähnten Vorführung der Gefangenen gelten konnte
(s. Fig. 29, 3o, 3i'j. Sie galten bis jetzt für Raffael; thatsächlich stehen sie ihm jedoch ferne. Wenn
1 Fig. 3i ist die Rückseite des Blattes, auf dem Fig. 3o erscheint.
Hermann Dollma)'r.
dem Ausgange des Streites entgegensahen, blieb darum schon deshalb nichts Anderes übrig, als gleichfalls
auf ein ähnliches Mittel zu sinnen, um nicht etwa gerade in einer solchen Modesache zu unterliegen.
Raffael hatte sich aus der Nebenbuhlerschaft Sebastiano's nie viel gemacht und würde auch kaum in
einem technischen Verfahren mit ihm gewetteifert haben. Der boshafte Venezianer hätte es sonst ge-
wiss nicht versäumt, dem »principe della sinagoga« wegen der Nachahmung seiner Erfindung, die er
den Schülern noch hingehen Hess, eines am Zeuge zu flicken.
Im Anschlüsse an die so zu Stande gekommenen beiden allegorischen Figuren scheint man dann
auch die damals bereits projectirte Schlacht begonnen zu haben; das berichtet uns wenigstens Vasari.
Sie gedieh aber, wie er sagt, nicht über die Grundirung hinaus und diese schlug man wieder herab,
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Fig. 3o. G. F. Pcnni. Skizze zu den Fresken im Constantinssaale.
(Oxford.)
als man unter Clemens VII. daranging, die durch Leo X. Tod und die Regierung Hadrian VI. unter-
brochene Arbeit ernstlich aufzunehmen.
Hatte Raffael demnach thatsächlich nichts für den Saal vorbereitet, so scheinen doch die Schüler
so gethan zu haben, als wären sie im Besitze von Entwürfen ihres Meisters gewesen; denn Sebastiano
erwähnt in einem seiner Briefe die Aeusserung des Papstes, »sie hätten Zeichnungen von seiner Hand«.
Dass sie mit solchen herausrückten, war ihrerseits eine Waffe, um den gefährlichen Gegner aus dem
Felde zu schlagen, eine Waffe, die sie sich jedoch selbst geschmiedet hatten. Ein Theil dieser frag-
würdigen Zeichnungen ist wahrscheinlich in den drei Oxforder Skizzen zu erkennen, von denen die
beiden ersten Kämpfe von nackten Männern untereinander und um eine Fahne darstellen, daher für die
Schlacht bestimmt sein mochten, die dritte eine Knebelung von Besiegten zeigt, also ganz gut für
einen Entwurf Raffaels zu der von Sebastiano erwähnten Vorführung der Gefangenen gelten konnte
(s. Fig. 29, 3o, 3i'j. Sie galten bis jetzt für Raffael; thatsächlich stehen sie ihm jedoch ferne. Wenn
1 Fig. 3i ist die Rückseite des Blattes, auf dem Fig. 3o erscheint.