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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 16.1895

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Abhandlungen
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Dollmayr, Hermann: Raffaels Werkstätte
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https://doi.org/10.11588/diglit.5778#0409
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Raffaels Werkstätte.

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War es, als hatte mit dem Tode Raffaels seiner Werkstätte kein guter Stern mehr leuchten sollen,
so schien es jetzt, in den traurigen Maitagen des Jahres 1527, da die feindlichen Truppen die Stadt
berannten, als wollte ein unversöhnliches Geschick ihre Glieder selbst von der alten Stätte ihres Ruhmes
verscheuchen, unbekümmert darum, dass dies das Letzte war, das es ihnen noch zu rauben hatte.
Drangsal und Leiden sandte es über sie und überlieferte sie wehrlos den Plünderern, unter deren
Händen sie verzweifelnd und in ihr Schicksal ergeben duldeten. Nur ein Einziger nahm muthiger
Stellung gegen das drohende Unglück; es war Giovanni da Udine. Der gute Meister, der in seiner
.lugend Jagd und Vogelfang über Alles geschätzt und mit Flinte und Armbrust umzugehen gelernt
hatte, war in die Reihen der Vertheidiger der Engelsburg getreten, von deren Zinnen herab er den
Connetable de Bourbon erschossen haben wollte. Wenn er sich dieser That auch nicht mit mehr Recht
gerühmt haben wird als Benvenuto Cellini, der gleichfalls diesen Meisterschuss für sich in Anspruch
nahm, so traf ihn doch die Rache der Sieger nicht weniger hart. Sie fügten ihm so vielen Schaden
an Leib und Gut zu, dass er beschloss, in seiner Vaterstadt einen glücklicheren Ort für seine Kunst
zu suchen.

Polidoro hatte seinen Freund verloren und ging über Neapel nach Sicilien; Perino, der um seine
ganze Habe gekommen war, fand in Genua Zuflucht. Verarmt und an Muth gebrochen, zerstreute
sich so die kleine Schaar und verliess den Boden der ewigen Stadt, der damit auf lange Zeit hinaus
für künstlerische Bestrebungen unfruchtbar blieb.

G. d. Udine. Fresko aus der Villa Madama.

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