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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 16.1895

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Abhandlungen
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Boeheim, Wendelin: Nürnberger Waffenschmiede und ihre Werke in der kaiserlichen und in anderen Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5778#0433
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384

Wendelin Boeheim.

beiderseits gelochtes Visir. Die Achseln mit geschobenen Flügen und hohen Brechrändern gehören
zu einem schweren Reiterharnische. Die Armbeugen sind durch Folgen geschlossen. Der rechte Fäust-
ling ist in der Grifflage mit einer Stellschraube zu schliessen,1 um das Entwaffnen zu verhindern. Die
Brust weist durch den bereits tief sitzenden Gansbauch mit allen übrigen Bruststücken auf das Alter der

Garnitur nach der Mitte des Jahrhun-
derts. An dieselbe schliesst sich ein vor-
trefflich geschlagener, geschweifter und
geschobener Kampfschurz. Die Knie-
beugen sind vollkommen durch Folgen
geschlossen. Die Beinröhren besitzen
Knöchelreifen, die Eisenschuhe zeigen
die natürliche Fussform (Fig. 14).

Vollständiger und richtiger zu-
sammengestellt ist der Feldharnisch. Der
geschlossene Helm mit hohem Kamm
und drei Halsreifen besitzt ein nur an
der rechten Seite gelochtes Visir. Das
Bruststück mit einem vergoldeten Rüst-
haken hat zwei Bauchreifen angeschoben,
an welche die fünfmal geschobenen Bein-
taschen geschnallt sind. Das Beinzeug
hat die Form jener der Harnische Nr. 638
und 296.

Die beiden Turnierharnische sind
in ihren Formen nahezu völlig gleich;
nur sind sie, wie bemerkt, in ihrer
künstlerischen Ausstattung insoferne ver-
schieden, als einer derselben im gleichen
Decor zwar, doch nur schwarz geätzt
und nicht mit dem Orden des goldenen
Vliesses ausgestattet ist. Diesem letzteren
Harnische fehlt gegenwärtig ausser den
zugehörigen Verstärkungsstücken noch
ein Helm. Die beigegebene Sturmhaube
mit Vorsteckvisir, gleichfalls mit nur
schwarz geätzten Rändern, gehört zwar
zu einem Feldharnische gleicher Aus-
stattung; den zugehörigen geschlossenen
Helm aber werden wir später finden.

Es genügt somit, nur jenen Turnier-
harnisch zu beschreiben, welcher voll-
ständiger erhalten geblieben ist. Der
Helm ist im Wesentlichen mit jenem des Feldharnisches gleich geformt. Die geschobenen Achseln mit
Hinterflügen, jedoch ohne Vorderflüge, gehören zu einem leichteren Feldharnische. Schwebescheiben
sind nicht vorhanden. Die rechte Achsel besitzt ein Verstärkungsstück. Die Armzeuge sind durch
ganze Muscheln gedeckt, die rechte ist durch ein Stechmäusel verstärkt. Der rechte Handschuh ist

Fig. 16.

1 Zur Zeit der allgemeineren Uebung des deutschen Fusskampfes im XIV. Jahrhundert war es strenge verpönt, sich
derlei Vorrichtungen zu bedienen. Dieselben wurden als hinterlistige Mittel angesehen. Im XVI. Jahrhundert waren aber
die alten Kampfregeln bereits völlig in Vergessenheit gerathen.
 
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