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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 16.1895

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Abhandlungen
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Boeheim, Wendelin: Nürnberger Waffenschmiede und ihre Werke in der kaiserlichen und in anderen Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5778#0434
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Nürnberger Waffenschmiede und ihre Werke in den kaiserlichen und in anderen Sammlungen.

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gefingert. Die Zügelhand schützt eine steife Hentze. Die Brust wird durch eine einmal geschiftete
Doppelbrust mit steifem Rüsthaken verstärkt, an welche ein Bauchreifen angeschoben ist. An letzteren
sind die ungleich grossen steifen Beintaschen geschnallt. Das Beinzeug ist jenem des Feldharnisches
gleich gebildet (Fig. 15).

Der Trabharnisch erscheint in seinen Theilen vollständig. Er besitzt einen geschlossenen Helm
mit massig hohem Kamme und Gesichtsschirme. Die Backenstücke tragen Gehörrosen, das Kinnreff
ist zum Abstecken eingerichtet. Das Visir ist zweimal abschlächtig und hat zwei Halsreifen ange-
schoben. Die geschobenen Achseln haben kleine Vorderflüge mit Schwebescheiben und grosse Hinter-
flüge. Die Handschuhe sind gefingert. Die Brust mit umlegbarem Rüsthaken hat einen Bauchreifen
angeschoben, an welchen die fünfzehnmal geschobenen, bis an die Kniee reichenden, einmal zum Ab-
stecken eingerichteten Schösse geschnallt sind (Fig. 16).

Von den einzelnen zur Garnitur gehörigen Bestandtheilen wäre noch eines Rundschildes zu ge-
denken, welcher im Mittelpunkte in eine scharfe Spitze getrieben ist.

Zur sicheren Bestimmung des Meisters müssen wir vorerst einige Gegenstände in anderen Samm-
lungen ins Auge fassen, so zunächst den Harnisch G. 65 im Musee d'Artillerie in Paris. Es ist ein
leichter Harnisch mit geschobenem Brust- und
Rückenstücke und geschobenen Diechlingen, also
von grosser Beweglichkeit. Er trägt die Marken des
Wilhelm von Worms; seine Auszierung in schwarz-
geätzten Strichen zeigt eine frappante Aehnlichkeit
mit jener unserer Garnitur. Auch hier finden sich
die sich übereinander schlingenden zwei Zweige,
doch fehlen die Rosenblätter; aber es ist kein
Zweifel, dass beide Dessins von einer und derselben
Hand gefertigt worden sind.

Zur Garnitur Ferdinand I. gehören im Musee Fig. 17.

dArtillerie folgende Gegenstände:

G. 577: Pferdeharnisch, blank, mit den bekannten Strichen und Rändern in vergoldeter Aetzung.
An demselben fehlen der Fürbug und die Geliegertaschen. Ohne Marke.

H. 97: Geschlossener Helm, blank, mit den bekannten Strichen und Rändern, jedoch in Schwarz-
ätzung. Es ist derselbe, welcher uns, wie ich vorhin bemerkt habe, an dem beschriebenen Turnier-
harnische fehlt. Er besitzt Löcher für eine Verstärkung des Visirs.1 Ohne Marke.

Im königlichen Zeughause in Berlin werden noch die Reste eines zweiten Pferdeharnisches der
Garnitur, bestehend aus einem Sattel, einem Fürbuge und einem Croupegelieger, C. 700, bewahrt. Alle
Theile sind gleichfalls in vergoldeter Aetzung ausgestattet und überhaupt jenen zu Paris in der Form
sehr ähnlich. Ohne Marke.

In der Eremitage zu St. Petersburg finden sich von den in Wien fehlenden Bestandtheilen der
Garnitur nur eine halbe Rossstirne mit aufgenieteten Ohren; die Stirne schliesst in der Mitte des
Nasenbeines im flachen Halbbogen ab. Auf einem ausgeschnittenen Schildchen erblickt man in ver-
goldeter Aetzung den Doppeladler mit den gewechselten Wappen von Alt-Ungarn und Böhmen und
Alt-Oesterreich mit Tirol im Herzschilde.

In der Sammlung des kürzlich verstorbenen Reichsgrafen Theodor Desfours-Walderode in Gross-
Rohosetz in Mähren wird ein rechter Eisenhandschuh bewahrt, welcher durch seine vielen Geschiebe
erkennen lässt, dass er dem beschriebenen Trabharnische unmittelbar angehört hatte. Die Aetzung ist
vergoldet. Eine Marke ist nicht vorhanden.

1 Auch in Paris hält man mit Bestimmtheit die beiden genannten Stücke für Arbeiten des Meisters der Harnische

G. 63, 65 und der nachfolgend erwähnten G. 64 und H. 98, obwohl letztere in den Auszierungen etwas verschieden
sind.

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