Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 18.1897

DOI Heft:
Abhandlungen
DOI Artikel:
Dörnhöffer, Friedrich: Ein Cyklus von Federzeichnungen mit Darstellungen von Kriegen und Jagden Maximilians I.
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5779#0009
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4

Friedrich Dörnhöfler.

Berechtigte schon die Gleichheit des Formates und die Gleichartigkeit des allgemeinen Ein-
druckes zu der Vermuthung der Zusammengehörigkeit der Scheibenzeichnungen, so bringt die Be-
trachtung ihres stilistischen Charakters den Beweis hiefür.

Die Composition trägt bei sämmtlichen Blättern ein durchaus gleichartiges Gepräge: bei ziem-
lich hoch angenommenem Horizonte schauen wir über die sich im Vordergrunde abspielenden Vor-
gänge hinweg auf weites Land, ummauerte Städte, breite Thäler oder ins hohe Gebirge hinein. Stets
ist die Composition mit grossem Geschick und glücklicher Erfindung der Rundform angepasst, der
Hauptvorgang in die Mitte gerückt, Alles übersichtlich geordnet, klar durchdacht und mit vielem Ge-
schmack in ersichtlich decorativer Absicht ausgeführt. Bei den Schlachtendarstellungen ist immer un-
gefähr die vordere (untere) Hälfte der Scheibe mit Schaaren von Reisigen und Knechten angefüllt,
die entweder von beiden Seiten herkommend in der Mitte zu wildem Handgemenge zusammen-
prallen, sich in buntem Gewoge im Lager ergehen oder zur Erstürmung einer Burg oder Verschanzung
ins Bild hineinfluthen. Bei aller Aehnlichkeit, ja Gleichartigkeit der allgemeinen Anlage auf diesen
Darstellungen weiss der Zeichner durch erfindungsreiche Abwechslung im Einzelnen zu fesseln, indem
er das Kampfgedränge durch interessante Episoden belebt und einzelne Kraftgestalten aus der Masse
zu individuellem Eindrucke heraushebt.

Die Perspective ist gut durchgeführt; leicht und beweglich trennen sich die Figuren vom
Hintergrunde. Das Zurücktreten der Ferne ist bisweilen in ausserordentlicher Weise gelöst. Wenn
dagegen einige Male die perspectivische Einheit völlig durchbrochen ist, so scheint dies aus bewusster
Absicht geschehen zu sein (vgl. Taf. III, VII), sei es um auch die entfernteren Vorgänge noch in ge-
nügender Deutlichkeit zu zeigen oder — wahrscheinlicher — aus Gründen der decorativen Wirkung.

Ganz hervorragend sind die Landschaften. Was die heikle und schwierige Technik der Feder-
zeichnung an Wirkungen ermöglicht, weiss der Zeichner erstaunlich gut zu handhaben, um bestimmte
landschaftliche Eindrücke hervorzurufen. Mit wenigen Strichen vermag er das sich weithindehnende
Hügelland mit den in der Ferne auftauchenden Thurmspitzen zu charakterisiren oder das Bergland
mit den krönenden Burgbauten oder breite Thäler, erfüllt mit zerstreutem Baum- und Strauch-
werk, aus denen Ortschaften herausschauen. In den Jagdscenen wagt er sich nicht ohne Glück daran,
die unbestimmte Mannigfaltigkeit des Waldinnern darzustellen und den Blick auf das Hochgebirge zu
eröffnen. Vieles athmet die Frische originaler Beobachtung und charakterisirt den Zeichner als einen
Künstler, der sich ein individuelles Verhältniss zur Natur erarbeitet hat. Er weiss sehr wohl die ein-
zelnen Baumarten zu kennzeichnen, fühlt den Reiz einzeln stehender Eichen, deren Krone sich kraft-
voll entfaltet, oder der leichten Formen der Birke; er liebt seltsame Felsbauten und verwitterte Baum-
ruinen, er kennt den im Hügelland hingebreiteten Weiher mit den flachen, sumpfigen Ufern, an denen
das Schilfrohr wächst und der Reiher haust. Den Himmel belebt er sich meistens mit leicht hinfliegen-

parallele Linien schliessen eine unlesbare Legende zwischen sich ein; das innere Feld ist horizontal getheilt, oben ein Blumen-
zweig, unten drei parallele horizontale Linien. Auf der Vorderseite der Zeichnung ist eine Marke zweimal eingedrückt,
worin die Buchstaben H. (oder B.) W. C. zu erkennen sind — jedenfalls identisch mit dem von Fagan (Collector's marks)
unter Nr. 70 vermerkten Stempel eines unbekannten Sammlers. — Die zweite Leipziger Zeichnung, im Besitze des städti-
schen Museums, entspricht der Taf. IX unserer Serie: »Burgundisch Krieg«. Sie zeigt eine auffallende l'ebereinstimmung
mit dem soeben besprochenen Blatte: auch hier treten die Merkmale der Nachzeichnung offenkundig hervor, Bestreben
genauer Nachbildung, häufiges Missrathen der Formen durch Auslassungen u. dgl. Missverständnisse ganz bestimmter Art,
die beide Leipziger Blätter gemeinsam haben, erlauben den Schluss, dass beide Gopien von einer Hand herrühren. Der
Originalzeichner liebt es z. B. den Mund offen zu zeichnen, was auf beiden Nachzeichnungen regelmässig falsch aufgefasst
ist, indem der untere Strich als unterer (statt oberer) Rand der Unterlippe genommen wird; aus Eigenem gibt dann noch der
Nachzeichner einen ungeschickten Strich in den Mundwinkeln hinzu. Die Contouren von Haar und Bart sind auf beiden
Nachzeichnungen in Ringellinien, nicht wie im Original in Bogenlinien gegeben; häufig ist auf beiden Blättern das untere
Augenlid weggelassen u. s. w. Endlich bieten die feinen Tintenspritzer, mit denen beide Zeichnungen in ganz gleicher
Weise übersäet sind, einen äusseren Beweis für den gleichen Ursprung. — Diese Copien wurden jedenfalls direct nach
den Münchener Originalen hergestellt; bei der durchaus mechanischen Arbeit ist es zwecklos, nach dem Autor zu fragen.
Die Zeit ist durch die Dorsualnotiz auf dem Lampc'schen Blatte als die erste Hälfte des XVI. Jahrhunderts zu bestimmen.
Die Rückseite des Museumsblattes ist verklebt; auf der Vorderseite die Bemerkung, dass die Zeichnung aus der Dörrien'schen
Sammlung stamme.
 
Annotationen