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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Portätsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0058
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Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol.

169. Marie Elisabeth, Tochter und einziges Kind des Königs Karl IX. und der Erzherzogin
Elisabeth,

geboren am 27. October 1572, gestorben am 2. April 1578. Der Name der Dargestellten fehlt in der Aufschrift; da
Karl IX. aber nur eine Tochter, die eben genannte, hinterliess, kann über den Namen derselben kein Zweifel sein.

Zierliche Goldschrift: FlLIA GAROLI IX REG: GAL: OB: INF (d. h. obiit infans). Brustbild rechts,
im Dreiviertelprofil, die seitwärts blickenden schmalen Augen braun, die schwachen Brauen und das
in hohe Scheitel geordnete Haupthaar dunkelblond, kurze breite Nase, kleiner Mund mit vorstehender
Unterlippe; blasse Gesichtsfarbe, das Aussehen kränklich. Die reiche Kleidung besteht aus einem mit
Perlen und Kleinoden gezierten Häubchen, Perlenschnur mit Anhängern aus tropfenförmigen grösseren
Perlen, gegitterter, melonenförmig eingezogener, durchsichtiger Chemisette mit umgelegter breiter
Halskrause und weissem Spitzleib mit Gold-
stickerei; der Brustsaum, in Gold, ist belegt mit
grossen Perlen und Kleinoden (rothe und schwarze
Steine) in reicher, schwarz emaillirter Fassung;
von dem mittleren Kleinode fällt eine grosse,
tropfenförmige Perle herab, rechts und links Ge-
hänge von grossen runden Perlen, deren eine
Doppelreihe auch vorne an der Brust bis zur
Taille herabreicht, um welch' letztere abermals
eine Kette von Perlen und Kleinoden gelegt ist.
Die hohen gepufften Aermel zeigen rothes Futter,
goldgeränderte, rothunterzogene Ausschnitte und
zwischen diesen ähnliche Schleifen. Grund dun-
kelgrau. — Katalog Nr. 225.

Das vorzüglich ausgeführte Porträt muss
nach dem Tode des Francois Clouet gemalt sein,
der in demselben Jahre 1572 starb, in welchem
unsere Prinzessin zur Welt kam. Es verräth aber
so sehr die Schule dieses Meisters, dass an dem
Entstehen des Bildes am französischen Hofe nicht
gezweifelt werden kann. Nun begab sich Königin
Elisabeth im Jahre 1575 nach dem Tode des Kö-
nigs Karl IX. (f 3o. Mai 1574) nach Wien zurück;
das Bildniss ist also zwischen 1572 und 1575, Nr- l69-

spätestens im dritten Lebensjahre der Prinzessin

gemalt. Als Hofmaler nach Clouet's Tode wird officiell Jean de Court genannt;1 man darf also in
ihm den Maler des Originales vermuthen. Ist dem wirklich so, dann war Jean de Court ein Contre-
faiter ersten Ranges; das Bild der kleinen Prinzessin ist mit einer vollendeten Meisterschaft, wie wenige
andere unserer französischen Reihe, erfasst und dargestellt. Auch dem Copisten werden wir noch öfter
begegnen; er zeichnet sich durch die Zartheit in der Ausführung der Einzelheiten des Schmuckes wie
in der Behandlung der Stoffe aus, ohne mühsam und pedantisch zu sein.

170. Heinrich III.,

der dritte Sohn des Königs Heinrich II. und der Königin Caterina de' Medici, geboren in Fontainebleau am ig. Sep-
tember 1551, wurde am 16. Mai 1573 zum Könige von Polen gewählt, verliess aber den Thron nach dem Tode seines
Bruders Karl IX. 1574, wurde am i3. Februar 1575 in Rheims gekrönt und am 22. Mai 1575 der polnischen Krone
verlustig erklärt. Seine Haltung gegen die Hugenotten, denen er in den Friedensschlüssen von Beaulieu (1576)
und Bergerac (1577) Zugeständnisse machte, die feindliche Gesinnung gegen Spanien während des Krieges in
Portugal und in den Niederlanden, die schlechte Finanzlage und die Günstlingswirthschaft, die Aufregung der

1 Bouchot, Les Clouet, p. 59, und Portraits, p. 71.
 
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