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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Portätsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0096
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88

Friedrich Kenner.

genannten Francois Quesnel, zeichnete das vorzüglich schöne Porträt seines Vaters Pierre1 im Jahre
1574 und bewährt sich in demselben als ein ebenso geschickter Contrefaiter, wie er wegen seiner
Wappen gerühmt war; er starb am 27. August i632. Von der eben genannten Handzeichnung kenne
ich keine Reproduction und vermag daher nicht zu beurtheilen, ob zwischen ihr und unserem Bilde
ein Zusammenhang besteht. Nicht blos aber die kurzen Andeutungen, welche Bouchot gibt, stimmen
mit unserem Bilde überein sondern auch die Zeit, in welcher die Originalaufnahme des letzteren ent-
standen sein dürfte. Dieses zeigt den Herzog zwischen dem 60. und 70. Lebensjahre; nimmt man ein
mittleres Lebensjahr, das 65. an, so wäre das Bild um 1578 gemalt, also zu Beginn der Blüthezeit des
genannten Malers. Unser Bild gehört zu den schönsten der französischen Reihe; es ist nicht blos über-
aus lebenswahr dargestellt sondern auch sehr fein, sauber und mit grosser Sicherheit ausgeführt.

Das Bildniss einer Tante des ebenbesprochenen Louis II. de Bourbon-Montpensier, Renee,
Tochter des Herzogs Gilbert de Montpensier, Schwester des Connetable Karl von Bourbon (oben,
Nr. 182), ist in der lothringischen Reihe schon früher beschrieben worden;2 im Jahre 1515 mit Herzog
Anton II. von Lothringen vermählt, war sie die Ahnfrau der folgenden Herzoge von Lothringen-
Vaudemont.

Nemours, siehe Gaston de Foix (Nr. ig3).

210. Piero Strozzi,

geboren 1510, gestorben vor Thionville am 21. Juni 1558. Von diesem Marschall Frankreichs und einem Bildnisse
desselben aus seinen jüngeren Jahren war schon unter den Porträten italienischer Berühmtheiten die Rede;3 es
wurde dort auf ein in Frankreich entstandenes Bildniss desselben hingewiesen, das wir hier nachtragen.

Goldschrift: PETRVS STROZZA. Brustbild rechts, im Dreiviertelprofil, mit schwarzen Augen, die

Brauen und das kurze lockige Haupthaar braun, der Vollbart röthlichbraun, vortretende Stirne und

Unterlippe, die Nase gerade; in schwarzem Rocke, mit umgeschlagenem breiten Hemdkragen, letzterer

glatt, am Rande mit Spitzchen besetzt. Grund graubraun, unten ins Lichtere spielend. — Katalog

Nr. 722.

Die etwas flüchtig gemalte Copie weist auf ein Original hin, welches die Gesichtszüge in vor-
züglicher Weise individualisirt und deutlich die Art der Schule des Francois Clouet erkennen lässt.
Aehnlich erscheint er in den Gemälden in Versailles,4 von welchen das eine ihn wie unser Bild in
schwarzem Rock aber mit schwarzer Kette und gesticktem Kragen, das andere in der Rüstung darstellt.5
Dagegen gibt ihn die Handzeichnung der Pariser Bibliothek im Profil links;6 sie ist eine späte Zeich-
nung nach einem anderen Originale, vielleicht sogar nach einer Medaille.

211. Strozzi Filippo,

Sohn des Pietro (Nr. 210), geboren zu Venedig im April 1541, Page des Dauphin (nachmaligen Königs) Franz II.,
entfloh mit 16 Jahren zu dem Heere in Piemont, bei welchem er die ersten Proben seines Muthes ablegte, wurde
Capitän und focht unter Guise in Flandern gegen die Spanier, wo er an der Belagerung von Calais theilnahm.
Bald darauf zum Oberst und General der französischen Infanterie (1563) vorgerückt, führte er bessere Feuerwaffen
ein, kämpfte 1566 auf Malta und nach der Rückkehr in den Religionskriegen in Frankreich mit Auszeichnung
auf Seite der Katholiken, insbesondere bei Roche-Abeille, wo er gefangen wurde, bei Moncontour (1569) und La
Rochelle (1573). Nachdem er 1579 den Heil. Geistorden erhalten hatte, legte er auf Veranlassung der Königin-
Witwe Caterina de' Medici seine Stelle in der französischen Armee nieder und übernahm 1582 den Oberbefehl

1 Reiset, Notice des Dessins II, p. 415.

2 Jahrbuch XIV (1893), S. 179, Nr. 226.

3 Jahrbuch XVIII (1896), S. 255, Nr. 134.

4 Gal. hist. de Versailles, Suppl. V, ohne Tafelnummer.

5 Letzteres, a. a. O. irrthümlich als Philipp Strozzi bezeichnet, ist dem Bildniss in der italienischen Reihe unserer
Sammlung (Nr. 134) nahezu gleich.

0 Bouchot, Portraits, p. 240; Recueil O, cf. p. 94.
 
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