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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Portätsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0147
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i38

Friedrich Kenner.

Chaireddin Barbarossa (Nr. 27) verbanden, welcher Tunis 1534 selbst einnahm. Dies veranlasste Kaiser Karl V.,
den Mulei Hasan in Brüssel um Hilfe angefleht hatte, zu dem ersten Zuge nach Tunis (1535), auf welchem
Coletta erobert und ein Theil der Flotte des Barbarossa genommen wurde. Darauf kehrte Mulei Hasan nach
Tunis zurück, entfloh aber sieben Jahre später abermals vor Barbarossa und suchte in Neapel die Hilfe des
Kaisers wieder zu erlangen. Inzwischen hatte sein Sohn Amida die Regierung ergriffen; er besiegte Mulei Hasan,
als dieser mit einem selbst geworbenen Heere nach Afrika übergesetzt war, bei Tunis, Hess ihn blenden und in den
Kerker werfen, aus dem er von seinem Bruder, der Amida vertrieb, befreit wurde. Er ging nun nach Neapel
und Rom, wo er selbst Giovio seine Leidensgeschichte erzählte, hierauf nach Augsburg zu Kaiser Karl V.,1 der
ihn vorläufig dem Vicekönige von Sicilien zum Unterhalte überwies. Als der neue Feldzug gegen Tunis unter
Andrea Doria, Juan Vega und Garzia Toledo eröffnet wurde, begleitete er die Flotte, starb aber nach der
Landung während der Belagerung von Mehadia im Jahre 1550 und wurde unter grossem Zulaufe des Volkes in
der heiligen Stadt Carovana beigesetzt.

Zierliche Goldschrift: MVLEASES< TVNETIS< REX< Brustbild links, fast von vorne, mit rechtem
Glotzauge, die Augen braun, ebenso die geschwungenen Brauen und der lange, dichte Vollbart, volles
Gesicht mit breiter, kurzer Adlernase, grossem, vollem Mund, die Unterlippe vorragend, dunkle Ge-
sichtsfarbe, auf dem Kopfe ein niederer grauer Turban, darunter der über Nacken und Ohren hinauf-
gezogene weisse Schleier, der wie eine Kapuze das Gesicht umgibt und dessen Ende über die rechte
Brust herabfällt; in grünem Oberkleide, welches mit gitterförmig sich kreuzenden Goldfäden durch-
webt ist, auf der linken Brust ein breites Goldband mit linearen Ornamenten. Grund dunkelgrau,
ins Lichtere spielend. Auf Pappe aufgezogen. — Copist M. — Katalog Nr. 680.

Bei Jovius I, 235, hier älter, mit dem Glotzauge, der Ausdruck des Gesichtes verschieden; auch
fehlt hier das gitterförmige Muster am Oberkleide; die Rechte, mit ausgestrecktem Zeigefinger, und die
Linke, mit einer Art von Schiene versehen, sichtbar. — Florenz. — Rovillius II, 257, im Gegensinne
und der Turban anders gewunden, das Kleid ähnlich wie in unserem Bilde. — Brye, p. 3g, im Gegen-
sinne, das Goldband quer um die Brust gelegt, der Dessin des Kleides verändert.

Während seines Aufenthaltes in Brüssel, wohin sich Mulei Hasan nach der ersten Vertreibung
aus Tunis zu Kaiser Karl V. begeben hatte (1534), wohnte er in dem Hause des Johann Baptist Taxis,
der seiner Aufgabe, den fremdländischen Herrscher und seinen Hof zu beherbergen, mit grosser Sorg-
falt nachkam;2 ja, er trug aus Aufmerksamkeit dieselbe Kleidung wie Mulei Hasan, mit dem Unter-
schiede, dass jene des Letzteren als Souveräns von Purpur, jene des Taxis aus Goldstoff wie die der
tunesischen Grandseigneurs bestand. Vor der Abreise des Mulei Hasan Hessen sich Beide in der Tracht,
in der sie verkehrt hatten, porträtiren, mit der gleichen Geste, indem sie mit der linken Hand, die mit
einem Tuche umwunden ist, die Schwertscheide fassen, mit der Rechten das Schwert zu ziehen im
Begriffe sind. Treffliche Kupferstiche von Paulus Pontius nach einer Zeichnung von N. van der Horst
findet man in dem Werke von Julius Chifletius über das Haus Taxis.3 Die wohl von einem Brüsseler
Meister gemalten Originale scheinen verloren zu sein; eine Copie des Porträtes von Mulei Hasan be-
findet sich in Versailles;4 auch das Bild in der Sammlung des Giovio scheint darauf zurückzugehen,
da zwischen beiden nicht blos im Gesichte eine bestimmte Aehnlichkeit besteht sondern auch die Geste
der hier leeren Hände dieselbe ist.5

1 Im Jahre 1547, October, kam zuerst der zweite Sohn »Molei Bubacher«, hierauf im April 1548 Mulei Hasan
selbst (Moleihasen rex Thuneti, imperator de secta Mahometana excaecatus et regno pulsus per filium natu grandiorem
venit Augustam ad caesarem in mense aprili ac profugus«), endlich im Juni desselben Jahres dessen jüngerer Sohn »Molei
Mahamed«; vgl. Nicolaus Mameranus, Catalogus familiae totius aulae caesareae per expeditionum adversus inobedientes
usque Augustam Rhaeticam, omniumque principum comitum etc. ibidem 1547 et 1548 praesentium, Coloniae 1550, p. 9.
— Auf p. 102, io3 wird der Hofstaat des afrikanischen Fürsten angeführt.

2 Durch die glänzende Aufnahme und Bewirthung fand sich Mulei Hasan sehr zufriedengestellt und äusserte, einen
reichen Ersatz für sein verlorenes Reich gefunden zu haben. Er nährte sich mit ausgewählten Gerichten, deren Gewürze
allein täglich 100 Ecus kosteten, liebte vorzüglich Musik und Jagd, der er in Groenendale, zwei Stunden von Brüssel ent-
fernt, nachging; oft sah man dort sieben gekrönte Häupter unter dem Schatten einer alten Linde vom Waidwerke ausruhen.

3 Les Marques d'honneur de la Maison de Taxis, Anvers 1645, P- 76 un^ 77-
* Gal. hist. de Versailles, Suppl. Tome V, ohne Tafelnummer.

5 An der linken Hand zeigt sich über der Aussenseite des Handtellers eine Art Schiene gebunden, welche in dem
Stiche von Pontius ebensowenig angegeben ist wie das Glotzauge, vielleicht Zeichen einer Verwundung.
 
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