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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Portätsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0148
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Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol.

In diesen Bildnissen erscheint Mulei Hasan älter als in unserem: der Bart ist weiss, das Glotzauge,
welches gleichwohl Giovio hat, ist richtiggestellt. Das Gesicht sieht vergnügter aus, ist mehr nach
vorne gewendet und runzlig. In unserem Bilde dagegen ist der Bart noch dunkelbraun und das Ge-
sicht glatt, von ernstem Ausdruck. Kann man das Brüsseler Bild vom Ende des Jahres 1534 auf das
60. Lebensjahr des Dargestellten beziehen, so ist unseres dem Aussehen nach spätestens im 45. Lebens-
jahre, also etwa um 1519, entstanden, zu einer Zeit, in welcher Mulei Hasan noch nicht den Thron
bestiegen hatte. Es sei gestattet, hier eine Vermuthung auszusprechen. Die Umwälzung, welche 1517
in Aegypten stattgefunden hatte, veranlasste die Nachbarstaaten an der Nordküste von Afrika, zur
Siegesfeier Selim I. Gesandte dahin zu schicken, um den neuen Machthaber, der nunmehr auch in
Afrika die bedeutsamste Stelle eingenommen, zu begrüssen; im Namen seines Vaters Mulei Mansor
vertrat als dessen Gesandter Mulei Hasan den tunesischen Staat. Es liegt nahe, anzunehmen, dass von
dem damals dort im Gefolge der venezianischen Gesandtschaft eingetroffenen Maler, wie Ajas Aga und
vielleicht auch Sultan Selim I. selbst, so auch Mulei Hasan porträtirt worden sei. Ich glaube mich nicht
zu täuschen, dass noch in unseren Copien eine gewisse Verwandtschaft der Auffassung zwischen den
Bildnissen des Ajas Aga und des nachmaligen Sultans von Tunis bestehe; als Copien sind beide gleich
und stammen von derselben Hand.

27. Chaireddin (Chifr) Barbarossa aus Mytilene,

Sohn eines rumilischen Sipahis Jakub von Jenidschewardar, geboren um 1466, erlangte durch Seeräuberei, die
er mit seinem Bruder Horuk (Urudsch) betrieb, grosse Reichthümer und einen gefürchteten Namen, tritt aber in
der Geschichte erst durch die Eroberung von Mauretanien (1517) und nach dem Tode Horuk's (1518) durch
jene von Algier hervor. Die kühnsten Seeräuber anwerbend, wurde er bald der Schrecken der abendländischen
Küsten, zumal seit er von Sultan Soliman zum Befehlshaber der türkischen Flotte ernannt worden war (1533).
Schon im folgenden Jahre eroberte er Tunis und vertrieb Mulei Hasan von seinem Reiche, entkam nach der
Einnahme von Goletta mit einem Theile seiner Flotte (1535) nach Constantinopel und setzte in den folgenden
Jahren die Raubzüge gegen die italienische Küste, gegen Lipara und im adriatischen Meere fort, wo er die vene-
zianische Flotte in die Flucht schlug und Castro novo einnahm. Nach der Eroberung von Yemen (1543)
dem Könige Franz I. von Frankreich gegen Kaiser Karl V. zu Hilfe gesendet, vermochte er Nizza nicht
zu bezwingen, überwinterte in Toulon und bedrückte die Umgebung, bis ihn der König durch ein Geschenk
von 800.000 Livres vermochte, nach Constantinopel zurückzukehren (1546). Dies war seine letzte That; er starb
8ojährig am 4. Juli 1546 und wurde am Bosporus, nächst dem von ihm gestifteten Collegium zu Beschiktasch,
bestattet. Er ist im Vorstehenden sehr oft als der Besitzer einer Reihe von Sultanbildern genannt worden, deren
Copien die Sammlung Giovio bereicherten.

Sehr zierliche Goldschrift: ARIADEN < BARBA< RVSS Brustbild rechts, im Profil, die tiefliegenden
lebhaften Augen braun, die Brauen und der kurze Vollbart grau, kurze, gebogene Nase, kleiner Mund,
breite Kinnlade; auf dem Kopfe ein aus weissen Binden zusammengelegter hoher und breiter Tur-
ban, die rothe Spitze mit einem Krönlein besteckt, der nervige Hals bloss; in dunklem Unterkleid mit
sehr schmalem weissen Randstreif, das Oberkleid aus Goldstoff mit eingewebten Pflanzenornamenten,
der umgeschlagene Kragen grün. Grund schwarz. Auf Pappe aufgezogen. — Copist F. — Katalog
Nr. 675.

Bei Jovius I, 223 und 224, sind die Holzschnitte verstellt; auf p. 223 ist Chaireddin als Horuk
bezeichnet, wogegen auf p. 224 das Bildniss des Letzteren als Chaireddin angegeben ist. Auch Ro-
villius II, p. 257, und Brye, f. 35 (und 36), geben Horuk als Chaireddin. — Florenz. — Gleich bei
Capriolo, f. 104, und Totti, p. 218. — Das lebensgrosse Standbild in Ambras1 ist in Tirol gemalt.

Das ergraute Haar und das finstere, ausdrucksvolle Gesicht mit den gealterten aber noch immer
kräftigen Zügen deuten ein Alter von etwa 50—60 Jahren an. Die Vorlage dürfte also um 1516—1526
entstanden sein, mindestens als Chaireddin bereits Herr von Mauretanien war, was auch das Krönlein
auf dem Hute anzudeuten scheint; es fällt dies nahe zusammen mit der Siegesfeier des Sultans Selim I.
im Jahre 1517 und ist daher nicht unwahrscheinlich, dass unser Bild bei derselben Gelegenheit ent-
standen sei wie das Bildniss seines späteren Gegners Mulei Hasan von Tunis und des Ajas Aga. Der

1 Ilg und Boeheim, Das k. k. Schloss Ambras, S. III, Nr. 162.

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