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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Miniaturhandschriften aus der Bibliothek des Herzogs Andrea Matteo III. Acquaviva
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0157
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Hermann Julius Hermann.

Andrea Matteo III. stammt aus der Familie der Acquaviva, welcher Heinrich VI. im Jahre 1195
Besitzungen in der Gegend von Atri in den Abruzzen anwies. Die Familie kam bald zu Ansehen und
Macht, so dass Antonius Acquaviva i3g3 den Herzogstitel annehmen konnte. Grössere politische Be-
deutung gewann Giulio Antonio, der Vater Andrea Matteos. Ein treuer Freund und Rathgeber König
Ferrantes von Neapel, wurde er in Anerkennung seiner Verdienste durch ein Diplom vom 16. Sep-
tember 1477 in die königliche Familie der Aragonesen aufgenommen und ihm und seinen Nachkommen
neben dem Prädicat »di Aragona« das Recht ertheilt, das Wappen des königlichen Hauses mit dem der
Acquaviva vereint im Schilde zu fuhren.1 Den höchsten Ruhm erwarb sich Giulio Antonio durch
seinen Heldenmuth im Kriege gegen die Türken. Diese waren in Calabrien gelandet und hatten die
Terra di Otranto in ihre Gewalt gebracht. Giulio Antonio führte den Befehl über einen grossen Theil
des Heeres des Herzogs Alfonso von Calabrien, den König Ferrante gegen die Ungläubigen gesandt
hatte. Am 7. Februar 1481 unternahm Giulio Antonio von Sternataja aus einen Ueberfall auf die
Türken, um ihnen die reiche Beute zu entreissen. Es kam zu einem blutigen Handgemenge, in welchem
der heldenmüthig kämpfende Giulio Antonio verwundet, gefangen und enthauptet wurde. Sein Tod
rief allgemein Trauer hervor. Dichter feierten das ruhmvolle Ende des heroischen Feldherrn in
schwungvollen Versen. Ein prunkvolles Grabmal im Monistero di S. Maria dellTsola bei Conversano2
sichert dem Helden eine bleibende Erinnerung.

Giulio Antonio hatte am 11. April 1456 Caterina Orsino, eine Tochter des Fürsten Giovanni Antonio
Orsino von Tarent, geheiratet. Als Spross dieser Ehe wurde 1458 3 Andrea Matteo geboren, welchem
erst nach dem frühen Ableben seines älteren Bruders Giovanni Antonio der Titel eines Principe d'Atri,
Principe di Teramo zufiel. Im väterlichen Hause genoss der junge Andrea Matteo und dessen jüngerer
Bruder Belisario (geboren um 1464) eine vortreffliche Erziehung unter der Leitung tüchtiger Lehrer.
Schon von Jugend an wies ihn der Vater auf das Studium der Philosophie und spornte seine Söhne zu
wissenschaftlicher Beschäftigung an, so dass Andrea Matteo durch die gründliche und vielseitige Unter-
weisung eine gediegene Bildung erlangte.

Als Jüngling stand Andrea Matteo an der Seite seines kriegsgewandten Vaters in den Kämpfen in
Toscana zu Felde und erwies sich als so tüchtig, dass König Ferrante ihm den Titel eines »Duca
d'Atri, Principe di Teramo, Marchese di Bitonto, Conte di Conservano e S. Flaviano« mit den Prädi-
caten »regulus, alumnus« und »di Aragona« verlieh. Durch seine Vermählung mit Isabella Piccolomini
(1480)4 wurden die Bande mit dem aragonesischen Königshause noch enger geknüpft.

Im folgenden Jahre nahm er am Kriege gegen die Türken theil, deren siegreiches Vordringen
auf der Halbinsel Schrecken verbreitete. Bei Otranto verlor er seinen Vater, dessen Andenken er durch
das prunkvolle Mausoleum im Monistero di S. Maria dellTsola ehrte. Nach Beendigung des Seekrieges
gegen Venedig in den Gewässern von Otranto und Bari ernannte ihn König Ferrante als Beweis
seiner Anerkennung zum »Governatore e Preside« des Landes von Otranto und Bari und versprach
die Wiederherstellung des zerstörten Teramo. Da aber F'errante sein Versprechen nicht hielt, trat
Andrea Matteo in Fühlung mit den rebellischen Baronen, welche dem zweiten Sohne des Königs, dem
Prinzen Ferdinand, die Krone anboten. Der Anschlag wurde entdeckt, viele der Barone hart bestraft,
Andrea Matteo zum Gehorsam ermahnt. Der Herzog von Calabrien, eifersüchtig auf den Einfluss
Andrea Matteos, suchte den König auf seine Seite zu bringen, ja er ruhte nicht, bis er Ferrante dazu
bewogen hatte, die dem Herzog von Atri gehörige Veste Bitonto mit königlichen Waffen zu belagern.
Darüber erbittert, trat Andrea Matteo auf die Seite Karls VIII. von Frankreich, als dieser nach dem Tode

1 Die diesbezüglichen Urkunden publicirte V. Bindi in seinen Monumenti storici ed artistici degli Abruzzi.

2 Abgebildet bei Litta, a. a. O. Die Anlage entspricht der der neapolitanischen Königsgräber: Ueber den vier Cardi-
naltugenden ruhen die Statuen des Giulio Antonio und seiner Frau auf dem Sarkophag, darüber in einer Nische die Ma-
donna zwischen der Caritas und Fides. Unter dem Sarkophag die Inschrift: —MVTIVS BARBA DE SANTO PETRO GALA-
TINENSI ME STRVXIT.

3 Bindi hat älteren Autoren gegenüber 1458 als Geburtsjahr festgestellt.

4 Tochter des Herzogs Antonio von Amalfi und der Maria, einer Tochter König Ferdinands.
 
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