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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Miniaturhandschriften aus der Bibliothek des Herzogs Andrea Matteo III. Acquaviva
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0188
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Hermann Julius Hermann.

die eXeuOyjpwTYj?, die Freigebigkeit.1 In dem jungen Manne dürfen wir einen jungen Gelehrten er-
kennen, dessen Bestrebungen durch die Freigebigkeit unterstützt werden. Damit sollte wohl — wie
ich vermuthe — auf die hochherzige Unterstützung angespielt werden, welche Philipp und Alexander,
dessen Edelsinn wir in den Randbildern verherrlicht sehen, den wissenschaftlichen Bestrebungen des
Aristoteles zu Theil werden Hessen. Hart neben dieser allegorischen Darstellung der Freigebigkeit wird
uns das Extrem, Aufgeblasenheit und Prahlerei (-/auvö-r^ und ßavauata), vorgeführt. Zu beiden
Seiten der Halle blicken wir auf eine Hügellandschaft. Rechts sehen wir den Tantalus, bis zu den
Hüften in einem Flusse stehend. Mit der Schale in der Rechten sucht er vergeblich Wasser zu schöpfen,
mit der Linken greift er nach den goldenen Früchten eines Apfelbaumes, um seinen Hunger zu stillen;
allein das Wasser und der Apfelbaum weichen zurück, so oft er nach ihnen langt. Für seine Prahlerei,
seine Vermessenheit gegen die Götter muss er ewige Strafe leiden.

Als Pendant dazu links von der Mittelgruppe eine Danaide als ein Mädchen in rothem Gewände
mit einem durchlöcherten Krug, mit dem sie vergebens Wasser schöpft.2 Da aber diese Darstellung in
keiner Beziehung zu dem Inhalte des Buches steht, so müssen wir annehmen, dass die Danaide ledig-
lich als Pendant zu Tantalus aufzufassen ist und mit Sisyphos und Tityos zusammen (vgl. die folgende
Miniatur) die vier grossen Missethäter dargestellt werden sollten, die in der Unterwelt ewige Strafen
für ihre irdischen Vergehen büssen müssen. So bildet die Freigebigkeit und ihr Extrem, die Prahlerei,
den Gegenstand des Centralbildes, dessen Grundgedanke durch die historischen Scenen der Rand-
miniatur erläutert wird. Dem Aristoteles selbst mag, wie erwähnt, bei seinen Ausführungen über die
Seelengrösse und Grossherzigkeit sein grosser Zögling Alexander vorgeschwebt haben, der diese Cha-
rakterzüge in so hohem Grade in sich vereinte. Für einen Humanisten war Alexanders Edelmuth das
leuchtendste Beispiel edler Gesinnung. Wir finden daher in den Schriften der Humanisten wiederholt
auf ihn verwiesen. Andrea Matteo gedenkt seiner des Oefteren in seinem Commentar, ebenso Belisario
Acquaviva und Pontanus in ihren Tractaten. Es kann uns daher nur begreiflich erscheinen, wenn in
unserem Bilde als Vorbild für Freigebigkeit und Seelengrösse Alexander der Grosse verherrlicht wird.
Das Bildchen links in der Mitte verewigt die ergreifende Scene, wie der siegreiche Alexander, umgeben
von Soldaten und vornehmen Persern, seinen Mantel über die Leiche des Perserkönigs Darius breitet, —
ein treffliches Beispiel der Seelengrösse ([j.eYaXoiio//a).

Ebenso möchte ich in der Scene rechts eine Episode aus dem Leben Alexanders annehmen, ob-
wohl der Vorgang nicht klar genug wiedergegeben ist. Das Hauptinteresse zieht ein Ritter in prunk-
voller Rüstung auf sich; er trägt einen rothen, grün gefütterten Mantel über dem Thorax, in der Rech-
ten hält er eine Hellebarde. Ein Verwundeter liegt zu seinen Füssen; bestürzt fliehen die Soldaten,
nur ein Elephant bleibt bei dem Gefallenen. Wie ich vermuthe, ist mit dieser Scene auf Alexanders
Grossmuth gegenüber dem verwundeten König Porus angespielt. Der Elephant3 deutet wohl auf
diesen Eroberungszug Alexanders.

Das untere Breitbild versetzt uns ans Gestade des Meeres: Ein Handelsschiff, mit Erde gefüllt,
ist gelandet und die Schiffer schleppen die Erde in Säcken ans Land, wo sie zu einem Haufen auf-
geschüttet wird, während einer einen Sack verbindet. Vor einem Altare nahe dem Ufer, auf welchem
ein Feuer flackert, bringt ein Priester mit hohem Turban ein Opfer dar; in seiner Rechten schwingt er
ein Rauchfass. Zwei andere Männer falten die Hände zum Gebet. Ihm gegenüber rechts Alexander
in prachtvoller Rüstung und hellviolettem Mantel darüber, in der Rechten eine Hellebarde. Er weist
auf den Vorgang in der Mitte, offenbar um Befehle zu ertheilen. Ihn begleiten Vornehme des Reiches
in prächtigen Gewändern. Der eine, in rothem Rock und violettem Turban, ist im Gespräch mit einem
anderen begriffen; weiter zurückstehend ein dritter, der einem vierten ein Schriftstück überreicht.
Alexanders Aufenthalt in der Oase Siwah, wo ihn die Ammonspriester für einen Sohn des

1 Oder die Grossherzigkeit (fj.EyaXo7ipEJcei3(), die ja unwesentlich verschieden sind.

3 Die Danaiden wurden wegen der Ermordung ihrer Bräutigame in die Unterwelt versetzt, wo sie zur Strafe für
ihre Frevelthat in durchlöcherten Krügen Wasser schöpfen mussten.

3 Vgl. darüber die hübsche Anekdote des Plutarch im 6o. Capitel seiner Vita Alexandri.
 
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