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Hermann Julius Hermann.
der Massige der Vernunft (Xc-j-oc) folgt. Massigkeit und Unmässigkeit unterscheiden sich von der Selbst-
beherrschung und Zuchtlosigkeit dadurch, dass jenen beiden der Vorsatz fehlt. Deshalb ist die Massigkeit auch
keine Tugend. Wer ohne Affect Schlechtes thut, ist natürlich schlechter als der, welcher in heftiger Begierde
dasselbe thut. Empfindet ja der Zuchtlose nicht einmal Reue über seine That, daher ist er auch unheilbar.
Manche Dinge beruhen aber auf lasterhaften Naturanlagen, wie bestialische Unsitten, z. B. wenn die Väter ein-
ander ihre Kinder als Speise vorsetzen oder wenn Phaleris, der Tyrann von Agrigent, Kinder verzehrte. Auf
Lust und Schmerz beziehen sich Selbstbeherrschung und Mässigung; diese ist aber nur eine Vorstufe zur Tugend.
Fig. 5. Cod. Phil, graec. 4, f. 52: Heroische Vollkommenheit.
g) f. 52: Miniatur zum VII. Buche (Fig. 5).
Die zu diesem Buche gehörende Miniatur ragt durch ihre geschmackvolle Ornamentik hervor,
gegenüber welcher die mythologischen Bildchen in den Hintergrund treten, zumal ja auch die Figuren
bedeutend kleiner als in den bisher betrachteten Miniaturen sind.
Reizend ist der Rahmen des Mittelbildes. Er besteht aus goldenen Renaissanceornamenten auf
silbernem, violett schattirtem Grunde, geschmückt mit Juwelen und Perlen. In der Mitte der vier Seiten
des Rahmens sind Wappen angebracht; oben in einem mit Perlen geschmückten Medaillon das Wappen
des Herzogs mit zwei Palmzweigen, unten der blaue Löwe der Acquaviva zwischen drei Adlern; rechts
und links das Wappen der Gemahlin des Herzogs, Isabella von Piccolomini.1 Innerhalb dieses Rahmens
ein zweiter lichtblauer mit goldenem Renaissanceornament; in den Ecken desselben die französische
Lilie. Die Centraiminiatur eröffnet uns durch einen weiten Bogen, dessen Zwickel mit Cameen römi-
1 Geviertheilt: in 1 und 4 der Löwe der Acquaviva, in 2 und 3 das blaue, mit fünf Halbmonden geschmückte Kreuz
der Piccolomini auf Silber.
Hermann Julius Hermann.
der Massige der Vernunft (Xc-j-oc) folgt. Massigkeit und Unmässigkeit unterscheiden sich von der Selbst-
beherrschung und Zuchtlosigkeit dadurch, dass jenen beiden der Vorsatz fehlt. Deshalb ist die Massigkeit auch
keine Tugend. Wer ohne Affect Schlechtes thut, ist natürlich schlechter als der, welcher in heftiger Begierde
dasselbe thut. Empfindet ja der Zuchtlose nicht einmal Reue über seine That, daher ist er auch unheilbar.
Manche Dinge beruhen aber auf lasterhaften Naturanlagen, wie bestialische Unsitten, z. B. wenn die Väter ein-
ander ihre Kinder als Speise vorsetzen oder wenn Phaleris, der Tyrann von Agrigent, Kinder verzehrte. Auf
Lust und Schmerz beziehen sich Selbstbeherrschung und Mässigung; diese ist aber nur eine Vorstufe zur Tugend.
Fig. 5. Cod. Phil, graec. 4, f. 52: Heroische Vollkommenheit.
g) f. 52: Miniatur zum VII. Buche (Fig. 5).
Die zu diesem Buche gehörende Miniatur ragt durch ihre geschmackvolle Ornamentik hervor,
gegenüber welcher die mythologischen Bildchen in den Hintergrund treten, zumal ja auch die Figuren
bedeutend kleiner als in den bisher betrachteten Miniaturen sind.
Reizend ist der Rahmen des Mittelbildes. Er besteht aus goldenen Renaissanceornamenten auf
silbernem, violett schattirtem Grunde, geschmückt mit Juwelen und Perlen. In der Mitte der vier Seiten
des Rahmens sind Wappen angebracht; oben in einem mit Perlen geschmückten Medaillon das Wappen
des Herzogs mit zwei Palmzweigen, unten der blaue Löwe der Acquaviva zwischen drei Adlern; rechts
und links das Wappen der Gemahlin des Herzogs, Isabella von Piccolomini.1 Innerhalb dieses Rahmens
ein zweiter lichtblauer mit goldenem Renaissanceornament; in den Ecken desselben die französische
Lilie. Die Centraiminiatur eröffnet uns durch einen weiten Bogen, dessen Zwickel mit Cameen römi-
1 Geviertheilt: in 1 und 4 der Löwe der Acquaviva, in 2 und 3 das blaue, mit fünf Halbmonden geschmückte Kreuz
der Piccolomini auf Silber.