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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Boeheim, Wendelin: Die aus dem kaiserlichen Schlosse Ambras stammenden Harnische und Waffen im Musée d'Artillerie zu Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0264
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Wendelin Boeheim.

und Rückenstückes bei der Uebernahme in Ambras oder später im Museum zu Paris selbst? In letzterem
Falle müssten die zugehörigen Theile doch unschwer zu finden sein? Der Helm trägt die Bezeichnung
H.264; einige Aehnlichkeiten im Decor zeigen sich an dem Bruststücke G. 29g. Oder fänden sich die
passenden Stücke unter den acht mit G. 318 bezeichneten Kürassen? Das hier nicht zugehörige Brust-
stück ist ein Augsburger Erzeugniss von ungefähr 1570.

Auch im Proces verbal wird der Harnisch als »cuirasse entiere« bezeichnet; das stimmt mit dem
Inventare von i5g3, wo er als ganze Rüstung, und mit jenem von 1596, wo er als »weisse ganze rü-
stung mit strichen und plaben golt geschmelzt« bezeichnet wird. Es ist hieraus zu entnehmen, dass
nicht nur Theile des Harnisches verwechselt wurden sondern auch verloren gegangen sind. Eine
Wiederzusammenstellung wäre bei der Art der Ausstattung nicht sehr schwierig, vorausgesetzt natür-
lich, dass die Theile noch vorhanden sind; denn Auszierungen in Goldschmelz sind überall selten.1

Ein Harnisch eines Herzogs Heinrich von Montpensier ist im Musee d'Artillerie in Paris
nicht mehr zu finden; darum ist es auch schwer zu entdecken, welcher Harnisch einst als solcher mit-
genommen wurde. Die Wiederauffindung wird dadurch um so schwieriger, als der Harnisch bei
Schrenckh und somit auch bei Köhler nicht abgebildet ist. Dass der unvollständige Harnisch in Paris
seine Zuschreibung verloren hat, mag wohl darin seine Ursache haben, dass die dortigen Historiker
mit der angegebenen Persönlichkeit nichts anzufangen wussten. Aber auch in der früheren Zeit stand
die Zuschreibung auf schlechten Füssen. Im gedruckten Inventar von 1593 lesen wir: »Heinrich grafen
zu Mote Ponson ganze rüslung«, im Verlassenschaftsinventare von 1596: »Heinrich graf zu Monte-
ponson. Ain schwarz halbe rüstung sambt seinem helmlin.« Am deutlichsten spricht sich das Inventar
von 1788 darüber aus, wo es heisst 297: »von einer schwarzen rüstung der heim, die achseln, der kragen,
beide arme und eine hand ohne leib von dem grafen Heinrich von Monte ponson, vielleicht Mont-
pensier, samt dessen portrait.« Die Zuschreibung an einen Montpensier stammt also erst aus dem
Jahre 1788.

Eine vollständige Verwechslung ist mit einem Helme und einem Rundschilde unterlaufen,
welche beide als Karl von Bourbon zugehörig mitgenommen worden sind. Diese Verwechslung ist
aber auch nicht erst 1806 sondern weit früher entstanden. Noch im Inventare von 1621 ist eine Ver-
wechslung der beiden Waffenstücke des Karl von Bourbon nicht merkbar; eine solche tritt erst in jenem
von i663 auf, wo wir lesen »Carolus de Borbon. Ein weisser am kragen und an den ohren vergoldter
heim und ein theils weiss, theils vergoldter, ganz mit ätzarbeit gezierter schild mit einer spitze in
seinem mittelpunkt«. Bei Peter Strozzi wird aber der Schild so beschrieben, wie er bei Schrenckh,
Taf. XXIX, und Köhler, Taf. XXX (Fig. 11) deutlich abgebildet und als »Carolus Dux Burbonius«
bezeichnet ist. Dort findet sich auch der Helm und der Schild besitzt in der Mitte keine Spitze (Stachel).
— Beide Stücke befinden sich noch zur Stunde in der kaiserlichen Waffensammlung zu Wien (Saal
XXVI, Schrank II, Kat.-Nr. 178).

Die französischen Officiere hatten also unter dieser Zuschreibung auf Treu und Glauben nur das
mitgenommen, was man ihnen als Karl von Bourbon zugehörig bezeichnet hat. Wie ein Helm dazu-
gekommen ist, ist unerklärlich, nachdem bei Peter Strozzi nie ein solcher vorhanden war. Die nächste
Ursache der vor mehr als einem Jahrhundert unterlaufenen Verwechslung dürfte darin zu suchen sein,
dass beide seit alter Zeit nebeneinander aufgestellt waren und vermuthlich einmal die Aufschrifttafeln
und Porträte vertauscht worden sind.

Um im Musee d'Artillerie den verschollenen Rundschild des französischen Generalobersten der
Infanterie Peter Strozzi wiederzufinden, müsste allein die Beschreibung des Schildes von i663, welche

1 Alle Aufnahmen nach den Originalen im Musee dArtillerie zu Paris wurden durch die Kunstanstalt Berthaud
freres in ausgezeichneter Weise besorgt. Der Director des genannten Museums, Conservator Oberst F. Bernadac, gestattete
nicht nur die Wiedergabe der obigen Harnische sondern übernahm auch hiebei gütigst das Arrangement. Wir sprechen
ihm für diese collegiale Unterstützung unserer Bestrebungen unseren verbindlichsten Dank aus.
 
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