Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

DOI Heft:
Abhandlungen
DOI Artikel:
Schlosser, Julius von: Tommaso da Modena und die ältere Malerei in Trevisio
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0269
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
242

Julius von Schlosser.

bianca spukt auf ihrem jetzt zumeist unbewohnten Stammschlosse westlich von Conegliano — hausen
sie seit den Tagen der Langobardenkönige, uralt germanische klangvolle Namen tragend, auf ihrem
reichen Besitze, wie ihr umfangreiches, durch den jetzigen jüngsten Sprossen der italienischen Linie,
Grafen Rambald Collalto, mit Liebe und Sorgfalt musterhaft geordnetes Archiv auf S. Salvatore
bezeugt, und haben die Stürme überdauert, die die zu mächtigerer politischer Stellung gelangten
Rittergeschlechter der Scala und Carrara hinwegfegten. Schon durch ihre deutschen Besitzun-
gen immer in Verbindung mit dem Norden, haben sie bis auf den heutigen Tag dem alten Reiche
und Oesterreich, wo ihre Primogenitur den Fürstentitel erhielt, als tapfere Generale und Staats-
männer gedient, in der italienischen Heimat aber ihre Güter als treffliche Landwirthe zu gedeih-
licher Blüthe gebracht. In diesem Geschlechte spiegelt sich die ganze Geschichte eines Grenzlandes
zwischen deutscher und romanischer Cultur wieder, ähnlich wie die Adelsgeschlechter Piemonts, die
Markgrafen von Saluzzo u. s. w., die eigenthümliche Stellung dieses westlichsten Grenzlandes Italiens
zu Frankreich verdeutlichen.

Treviso ist nun freilich niemals zu der Bedeutung gelangt, die Mailand, Verona und Padua,
später Mantua, Ferrara, Rimini und Urbino durch ihre glänzenden Ritterhöfe erreicht haben. Aber der
ritterlich-feudale Charakter tritt gerade in seiner ältesten Geschichte deutlich hervor und es lag nur an
der Ungunst der Verhältnisse, dass es in der Zeit seiner Selbstständigkeit, im XIII. Jahrhundert, da es
unter dem Herrengeschlechte der Caminesen, namentlich unter dem »buon Gherardo« da Camino
(1283—1306),1 eine kurze aber glänzende Blüthezeit hatte, nicht zum Ausreifen seiner Macht ge-
kommen ist.

Im XII. und XIII. Jahrhundert gilt die trevisanische Mark als ein Hauptsitz feiner, höfischer und
ritterlicher Art und Sitte. Man nennt sie die »Marca amorosa«2 und der höfische Tanz von Treviso,
die »danza trevigiana«, ist im Mittelalter so beliebt und populär wie später die paduanische Pavane
oder heutzutage der Wiener Walzer. So heisst es in einer altprovencalischen Ballade:

Plasmi cavalier francez
E la dama Catalana
E l'ovrar de Genovez
E la cour de Castellana
Los cantar Provencalez
E la danza Trevisana.3

Auch höfisches Waffenspiel nach französisch-nordischer Art hat früh hier Eingang gefunden; der
venezianische Chronist Martino da Canal beschreibt ausführlich ein Turnier, das sechs friaulische
Ritter in Venedig vor dem Dogen veranstalteten und bei dem sich auch ein trevisanischer Edler, Bel-
viso, auszeichnete.4

Weitaus merkwürdiger und für das mittelalterliche Treviso höchst charakteristisch ist aber das
berühmte Fest, das zu Ostern des Jahres 1214 (nach späteren Berichten auf der Piazza dei Signori
oder in Spineta, einem Orte nahe der Stadt) zu Treviso abgehalten wurde und zu dem von überall her,
aus Venedig, Padua, Vicenza, Feltre, Belluno und aus der ganzen Mark Theilnehmer geladen waren.

1 Dante's Worte im Purg. XVI, l33ft'. zeigen die Berühmtheit des Mannes:

»O tuo parlar m'inganna o e'mi tenta«

Rispose (Marco Lombardo) a me, »che, parlandomi tosco,

Par che del buon Gherardo nulla senta;

Per altro soprannome io nol conosco,

S'io nol togliessi da sua figlia Gaja.«

Diese Gaja war nach des Commentators Benvenuto da Imola charakteristischer Bemerkung »Tarvisina tota amorosa-.

2 Aehnlich singt Fazio degli Uberti (im Dittamondo) von Treviso:

»Che da chiare fontane tutto ride,

E dal piacer d'amor che quivi e fino.«

3 Citirt bei Molmenti, La vie privee ä Venise, p. 118.

4 La cronique des Veniciens, p. II, § 3c>5 ff. (Archivio storico Italiano, vol. VIII; die Stelle ist auch gedruckt bei Mol-
menti, a. a. 0., p. 75.)
 
Annotationen