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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Schlosser, Julius von: Tommaso da Modena und die ältere Malerei in Trevisio
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0271
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Julius von Schlosser.

kommend, hier aber in lebendige Gegenwart über-
setzt. Wie bei den kirchlichen Festspielen tritt uns
der innige Zusammenhang, der zwischen Leben und
Kunst des Mittelalters besteht, einmal an einem pro-
fanen Gegenstande klar vor Augen. Eine ähnliche
Darstellung sollen auch die leider zerstörten Malereien
des vor einigen Jahren abgetragenen alten Com-
munalpalastes in Treviso enthalten haben;1 an dieser
Stelle wäre die Erhaltung solcher Reste von beson-
derer Bedeutung gewesen.

Gerade in Treviso hat sich aber, wiewohl im
traurigsten Zustande, ein Denkmal dieser ritterlichen
Zeit erhalten, nicht nur als das älteste, leidlich datir-
bare Zeugniss trevisanischer Malerei von localem
Interesse sondern auch als ein Unicum seiner Art, zu-
mal in Italien, von grösster, allgemein kunstgeschicht-
licher Bedeutung. Es ist charakteristisch, dass dieses
Denkmal, obwohl an einem der belebtesten Punkte
von Treviso stehend, bis in die allerjüngste Zeit voll-
kommen unbeachtet geblieben ist und dass es erst
aus seiner Vergessenheit hervortrat, wie der als un-
nützes Verkehrshinderniss betrachteten »catapecchia«
die Demolirung drohte, eine Gefahr, die auch jetzt noch nicht gänzlich beseitigt scheint. Es ist dies die
uralte Loggia dei Cavalieri, nahe dem antiken Quadrivium (Crocedivia) gelegen, trotz aller Ver-
wahrlosung und Schändung noch heute architektonisch und malerisch von nicht geringer Wirkung2
(s. die reconstruirte Ansicht an der Spitze dieses Aufsatzes). Schon seit dem XV. Jahrhundert als
Magazin verwendet, drohte dem baufälligen Gemäuer im Jahre 1894 der Untergang, da Niemand die
Kosten einer Restaurirung tragen wollte oder konnte. Nur den aufopfernden Bemühungen des hoch-
verdienten Conservators Prof. Bailo und seines Freundes, des Bildhauers Carlini, gelang es, wenig-
stens einen Aufschub zu erwirken. Das Denkmal wurde von Beiden auf das Eingehendste studirt,
wobei eine Reihe höchst interessanter Entdeckungen zu Tage kam, auch der Versuch gemacht, eine
Ecke stilgemäss zu restauriren. Das städtische Museum bewahrt jetzt eine Fülle (über 3oo) trefflicher
Zeichnungen und Acquarelle (zumeist von der Hand Carlini's),3 in denen das werthvolle Monument
für die Wissenschaft wenigstens gesichert ist; es wäre nur zu wünschen, dass Bailo seinen Lieblings-
wunsch, dieses heimatliche Kunstwerk in würdiger Form zu publiciren, bald erfüllen könnte.

Die Loggia ist eine offene Halle mit quadratischem Grundriss; sie öffnete sich einst nach allen
vier Seiten in fünf von Marmorpfeilern getragenen rundbogigen Arcaturen, die jetzt durch rohe Bretter-
verschläge geschlossen, theilweise auch vermauert sind. Ueber einem Fries springt, von geschnitzten
hölzernen Balkenträgern (modiglioni) in der für das Venezianische so charakteristischen Form gestützt,
das weitausladende Dach vor. Bei aller Entstellung ist das Ganze noch heute harmonisch, einfach und

1 Bailo in der unten zu citirenden Broschüre über die Fresken von S. Margherita, p. 20.

2 Am ausführlichsten und eingehendsten hat über sie Bailo in dem V. Jahrgange des leider wieder eingegangenen,
von Ongania herausgegebenen Bullettino di arti, industrie e curiositä Veneziane (1894), Heft 1—4, gehandelt. Das Referat
von Pezzi, Gli studj sopra la loggia dei Cavalieri, Arte e storia 1895, ist mir leider nicht erreichbar. Bailo, der auch eine
Publication der »Loggia« beabsichtigt, hat in verschiedenen Zeitschriften für das bedrohte Denkmal Propaganda gemacht;
einige Zeichnungen erschienen in der »Illustrazione Italiana« von Mailand sowie in der oben angeführten Guida von Santalena
(vgl. auch den Bericht von Caccianiga in der »Gazzetta di Venezia«, 1896); aber die Sache wurde kaum in Italien, ge-
schweige denn im Auslande weiter bekannt.

3 Die Photographen Fratelli Garatti in Treviso haben eine gute Aufnahme des Streifens mit der Belagerung von
Troja hergestellt, woraus der dermalige Zustand dieser Malereien ersichtlich ist.
 
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