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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Tommaso da Modena und die ältere Malerei in Trevisio
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0274
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Tommaso da Modena und die ältere Malerei in Treviso.

247

II.

Die Tafelgemälde des Tommaso da Modena in Wien und Karlstein.

Ueber die Kunstthätigkeit und die Kunstliebe Trevisos im XIV. Jahrhundert1 besitzen wir einige
sehr merkwürdige Aufzeichnungen. Dahin gehören vor Allem jene so interessanten ricordi eines
reichen Trevisaner Patriziers, des Olivier Forzetta, von i335, von denen schon im vorigen Bande
dieses Jahrbuches (XVIII, 104) ausführlich die Rede war.2 Darunter befindet sich eine auch auf
Treviso bezügliche Notiz. Es heisst dort (der Wortlaut der Stelle ist nicht ganz klar), dass ein Maler
Magister Marcus aus dem Franziskanerorden, im Kloster der Frari zu Venedig wohnhaft, »deutsche
Tücher« gemalt habe, die sich in einer der Hauptkirchen von Treviso, S. Francesco der Minoriten
(jetzt Militärmagazin), befänden; bei den Frari wären auch trefflich gemalte Glasfenster von der Hand
desselben Meisters. Diese scheinen nach den Vorlagen oder unter der Anleitung eines deutschen
Minoritenkünstlers, der in Venedig gearbeitet hat, gemacht worden zu sein; sie wurden von jenem Fra
Marco copirt (exemplavit) und wohl als Muster für ähnliche Glasmalereien auf jenen leicht transportir-
baren gemalten Tüchern nach Treviso geschickt. Endlich ist noch von einem Bruder jenes Marco,
Paulus, gleichfalls einem Maler und Conventualen der Frari, die Rede, der die Vorzeichnung auf
Pergament (den Carton?) für jene Malereien in Treviso besitze. Die Sujets dieser Gemälde sind der
Tod des heil. Franciscus und das Sterben Mariae, beides mit der Kirche der Frari, die ja den Titel
S. Maria Assunta führt und für die auch Tizian's berühmtes Gemälde in der Akademie als Hochaltar-
blatt bestimmt war, in engstem Zusammenhange.

Nun enthält die interessante venezianische Receptensammlung des Britischen Museums (Fonds
Sloane Mss. 416) eine Notiz »ad faciendum lazurum, cum quo poteris dipingere in muris et pictilibus
secundum fratrem Paulum ordinis fratrum minorum«, offenbar desselben Paulus von Venedig,
von dem sich auch in der Sacristei der P. P. Conventuali in Vicenza eine Tafel von i333 (bez. Paulus
de Venetiis pinxit hoc opus) befunden haben soll.3 Eastlake, dem ich diese Nachrichten entnehme,
hält nicht ohne Grund dafür, dass diese Receptensammlung auf jenen Frater Theotonicus des Forzetta
zurückgehen könne. In der That findet sich hier auch eine Anleitung zum Herstellen jener gemalten
Tücher, die sich in noch ausführlicherer Form auch in den von dem Franzosen Alcherius in Italien um
1409—1411 gesammelten und von Jehan le Begue erhaltenen Recepten wiederfindet.4 Aicher ist um
1410 auch in Venedig gewesen; die Anleitung für die »gemalten Tücher« hat er aber in Bologna
von einem flandrischen »richamatore« Theodorich erhalten, der sie seinerseits wieder aus London
überkommen hat. Ich gebe die Stelle unten im Wortlaut wieder;5 es ist offenbar dieselbe Technik,

1 Als Rest der italo-byzantinischen Malerei des XIII. Jahrhunderts in Treviso wäre die sehr bedeutende Darstellung
des Gekreuzigten zwischen Maria und Johannes (daneben Petrus und Paulus unter architektonischen Nischen) zu nennen,
die sich im Capitelsaale von S. Niccolö befindet. Federici, Mem. Trevig. I, 3 ff., hat über sie ausführlich gehandelt.

3 Gedruckt bei Federici, a. a. O., I, 184. Et nota quod mag. Marcus pictor, qui moratur Venetiis poenes locum
Fratrum minorum, fecit panos Theotonicos, quae sunt Tarvisii ad S. Franciscum Minorum; qui pani sunt picti etiam
Venetiis in loco Fratrum Minorum: et sunt ibi fenestrae vitreae factae manu dicti magistri et bene factae. Nam quidam
frater Theotonicus fecit omnia ab antiquo ibi in Venetiis et magister Marcus exemplavit et misit Tarvisium, et nota quod
supradictus mag. Marcus pictor, qui moratur penes Sanctam Mariam Fratrum Minorum de Venetiis, habet unum fratrem,
nomine Paulum pictorem, qui moratur poenes dictam Sanctam Mariam Fratrum Minorum; qui habet in carta desig-
natam mortem Francisci et Virginis gloriosae, sicut pictae sunt ad modum Theotonicum in pano ad locum Minorum
in Tarvisio.

3 Dies nach Eastlake, Materials for a history of oil painting, London 1847, P- 9°-

4 Gedruckt bei Mrs. Merrifield, Original treatises . . . on the arts of painting, London 1849, I, I.

5 Nach Eastlake, p. 96: Antedictus Theodoricus, a quo habui antescriptas reeeptas praescriptarum aquarum, dixit
quod in Anglia operantur operarii pictores cum ipsis aquis super tellis (= telis) bene contextis et balneatis cum aqua
gummata de gummi arabico et siccatis et postea extensis super solario per terram super drappis grossis lane et frixie
incedentes cum pedibus nitidis ipsi qui operantur intus, inde desuper ipsas telas operando et dipingendo super ipsas ima-
gines historicas et alia; quia ipse teile sedent et stant in planitie extense, ut dictum est; et super dictis drapis dicte aque
colorate pingendo non fluunt se spargentes sed stant, ut ponuntur, et humiditas aquea descendit in drapo lanne, qui eam
 
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