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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Schlosser, Julius von: Tommaso da Modena und die ältere Malerei in Trevisio
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0296
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Julius von Schlosser.

des Capitelsaales erinnert. Dann möchte ich auch die beiden weiblichen Heiligen, die heil. Katharina
und die heil. Agnes, dem Tommaso zuschreiben; namentlich die Form der schön gebildeten Hände der
heil. Katharina, die lange, gerade Nase, die Zeichnung der Ohren und des Bogens der Brauen, das
volle Oval der Gesichter (bei der heil. Agnes erscheint das Antlitz infolge der Rundung des Pfeilers
auf der Photographie viel schmäler und länger, als es in Wirklichkeit ist) scheinen mir die grösste
Aehnlichkeit mit den Madonnen und den Engelsgestalten der Tafelbilder des Tommaso zu haben.

Auch die Madonna mit dem heil. Augustinus (bei der die photographische Verkürzung sich
noch unangenehmer bemerklich macht) scheint die Hand Tommasos oder zum Mindesten eines ihm
ausserordentlich nahestehenden Schülers aufzuweisen. Freilich hat die Vergleichung — abgesehen von
der verschiedenen Technik, die die Tafelbilder doch immerhin von den Fresken trennt, — bei der Er-
haltung dieser Gemälde, die durchaus nicht intact sind, ihr Missliches. Es kommt hinzu, dass es bei
der stilkritischen Betrachtung hier, im Trecento, doch nicht möglich ist, so sehr ins Einzelne zu gehen
wie bei den weitaus schärfer ausgebildeten Malerindividualitäten etwa des XV. Jahrhunderts.

Eine viel rohere und ungeschicktere Mache zeigen dagegen die Madonna mit dem heil. Thomas
Aquinas, der vor St. Prosdocimus knieende Ritter, St. Michael und die Madonna zwischen den beiden
Mönchen. Gewisse Anklänge an Tommasos Stil sind unleugbar vorhanden; es ist wohl ein untergeord-
neter Geselle aus dessen Bottega gewesen, der hier gemalt hat.

Vollends einer viel späteren Zeit als den Fünfziger- und Sechzigerjahren des XIV. Jahrhunderts,
in die nach Allem, was wir wissen, Tommasos Hauptthätigkeit zu fallen scheint, gehören wohl die
übrigen Fresken; der heil. Christophorus, die Einzelgestalt des heil. Niccolö, namentlich aber der
heil. Martin1 und die Madonna mit der Stigmatisation des heil. Franz scheinen um die Wende des
XIV. Jahrhunderts, ja die beiden letzten, die überdies starke Uebermalungen zeigen, schon im Quattro-
cento entstanden zu sein. Sie kommen für uns nicht mehr in Betracht.

Auch in den wenigen Pfeilerfresken, die so für Tommaso übrig bleiben, zeigt sich die Eigenart
des Künstlers, sein kräftiger Realismus, sein Schönheitsgefühl und die Tiefe seines Colorits, nament-
lich in der Gestalt des heil. Hieronymus, die höchst wirkungsvoll aus der Architektur der Zelle hervor-
tritt. Auch die beiden Märtyrerinnen, St. Katharina in ihrer kräftigen Weiblichkeit und die anmuthige
Jungfrauengestalt der heil. Agnes mit dem modischen Mi-parti-Gewande, sind sehr charakteristische
Schöpfungen.

Wir haben ausser der inschriftlich bezeugten Thätigkeit des Tommaso im Capitelhause von
S. Niccolö, die aller Wahrscheinlichkeit nach 1352 abgeschlossen war, noch ein anderes Zeugniss, dass
der Maler schon vorher im Convent von S. Niccolö beschäftigt war. Denn aus einem von Milanese2
mitgetheilten Notariatsacte im Archivio notarile zu Treviso geht hervor, dass ein Thomasius pictor
quondam magistri Bonacursii am 22. März 1340 im Capitel des Ordens als Zeuge bei einem Rechts-
geschäfte fungirte. Ich habe keinen Zweifel, dass trotz der abweichenden Form des Patronymicums
damit unser Tommaso gemeint sei; das Zusammentreffen aller Umstände ist zu auffallend. Es ist die
früheste urkundliche Erwähnung des damals wohl noch sehr jungen Meisters. Einen recht schwachen
Anhaltspunkt für die Datirung der Pfeilerfresken könnte man in der von Federici mitgetheilten Grab-
inschrift des 1354 verstorbenen Fra Francesco Massa finden, dem die Ausschmückung der Kirche
von S. Niccolö zugeschrieben wird.3 Aber das ist freilich völlig vag. Federici behauptet allerdings, dass
aus dem libro della Fabbrica die Ausführung der Pfeilerfresken durch Tommaso hervorgehe. Da er
aber keinen urkundlichen Nachweis dafür erbringt, so wird man gut thun, der Sache nicht allzuviel
Glauben zu schenken.

1 Unter dieser Darstellung liest man ein Sgraffito, mit einem harten Gegenstande von einem alten Besucher eingeritzt:
Hic fu|it fr Mat|heus atio 1441 (?). Gütige Mittheilung des Herrn Prof. Ogniben in Treviso.

2 A. a. 0., S. 3l, Note 9: Atti del not. Rainerio di Corona, Tarvisii in Mon. S. Nie. ord. fr. praed. in loco appellato
capitulo, praesentibus Thomasio pictore quondam magistri Bonacursii etc.

3 Mem. Trevig. I, 210: ... hoc propriis quoque templum sumptibus ornavit.
 
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