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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0129
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Hermann Julius Hermann.

einer Bibelübersetzung im venezianischen Dialekt, welche die Genesis und das Buch Ruth enthält.
Die 298 Genesisbilder (je 4 auf jeder Seite) gehören einem trefflichen Miniator an, der entschieden
unter veronesischem Einfluss steht; weniger bedeutend sind die 40 kleinen und 6 Doppelbilder zum
Buche Ruth.

Soweit aus den spärlichen Ueberresten ein Schluss erlaubt ist, scheint die Miniaturmalerei in
Ferrara im XIV. Jahrhundert nicht von Verona abhängig gewesen zu sein sondern von dem nahen
Bologna, das im Trecento eine äusserst rege Thätigkeit in der Miniaturmalerei entfaltete. Hier waren
es vornehmlich Handschriften juristischen Inhalts, die mit Miniaturen geschmückt wurden. Der grosse
Bedarf an solchen, der durch die starke Frequenz der hochberühmten Rechtsschule begründet war, hatte
freilich eine fabriksmässige Herstellung juristischer Miniaturcodices zur Folge, wie ähnlich am Hofe der
Päpste zu Avignon Manuscripte canonischen Inhalts in grosser Zahl ausgeführt wurden. Daneben
entstanden liturgische Handschriften für die geistlichen Orden sowie minirte Statuten für die gewerb-
lichen Innungen, von denen die reichen Sammlungen des Museo Civico und des Archivio di stato in
Bologna zahlreiche Proben enthalten. Die Mehrzahl der bolognesischen Manuscripte trägt den
Stempel der fabriksmässigen Erzeugung an sich; doch finden sich darunter auch vortreffliche Bei-
spiele. Die sorgfältigen auf Quellenstudien basirenden Abhandlungen Malaguzzi-Valeris über den
Gegenstand1 entheben mich einer näheren Besprechung der bolognesischen Miniaturmalerei dieser
Zeit. Nur des hervorragendsten bolognesischen Miniators des Trecento will ich mit einigen Worten
Niccoiö gedenken: Niccolö di Giacomo da Bologna. Seine Blüthe fällt in die zweite Hälfte des
i Bologna0 XIV. Jahrhunderts. Ueber sein Leben sind wir verhältnismässig gut unterrichtet. Geboren zwischen
i3io und i32o, heiratete er i36g Uliana di Paolo di Duzolo, war i383 Podestä von Zappolino, be-
kleidete dann noch andere öffentliche Aemter und starb im hohen Alter, nachdem er am 1. December
i3ga sein Testament verfasst hatte. Niccolö da Bologna war wohl einer der fruchtbarsten Minia-
toren seiner Zeit. Die grosse Zahl seiner signirten und datirten Werke vermittelt uns eine genaue
Kenntnis seines Stils, der so charakteristisch ist, dass sich seine Hand auch in nicht signirten Werken
unschwer erkennen lässt. Die vorzüglichsten seiner Werke gehören seiner zweiten Manier an, die sich
durch kräftigeres Colorit, vollendetere Zeichnung, Plastik der Falten sowie durch die »bocche leonine«,
d. i. die eigenartige Zeichnung des Mundes in Gestalt des Löwenmaules, von der mehr flüchtigen Aus-
führung seiner ersten Manier unterscheidet. Als besonders charakteristisch möchte ich ein technisches
Moment hervorheben, das seine Miniaturen so leicht kenntlich macht. Niccolö bemalt die Gesichter in
einem hellen Rosa, setzt weisse Lichter und röthliche Schatten auf und zeichnet dann mit dem Pinsel
äussert zart die Innenzeichnung in rother und schwarzer Farbe ein. Eigenartig ist ferner in seinen
grösseren Bildern der schwarze Grund mit den dichten goldenen Spiralranken, von dem sich seine
hellen Gestalten reizend abheben.2

Ergänzend zu dem von Malaguzzi-Valeri gegebenen Verzeichnis der Werke des Niccolö da Bo-
logna möchte ich bei dieser Gelegenheit auf einige bisher unbekannte, in Oesterreich befindliche Minia-
turcodices hinweisen, die, wenn auch nicht signirt, nach ihrem Stile zweifellos dem Meister angehören.

1 Vgl. Francesco Malaguzzi-Valerie, I codici miniati di Nicolö di Giacomo di Bologna e della sua scuola in Bologna,
in Atti e memorie della deputazione di storia patria per le provincie di Romagna, serie III, tomo XI, p. 120 ff. (1892);
desselben: Le collezioni delle Miniature nell'Archivio di stato di Bologna, im Archivio storico dell'arte, tomo VII (1894);
vor Allem desselben: La miniatura in Bologna dal XIII al XVIII secolo, im Archivio storico italiano, serie V, tomo XVIII,
p. 242—315 (1896); endlich desselben: Catalogo delle Miniature e dei disegni posseduti dall' Archivio di Stato, in Atti e
memorie della deputazione di storia patria per le provincie di Romagna, serie III, tomo XVI (1898); ferner: Umberto Dallan,
I rotuli dei lettori legisti e artisti dello studio bolognese l384—1799, Bologna 1891; J. Neuwirth, Italienische Bilderhand-
schriften in österreichischen Klosterbibliotheken, im Repertorium für Kunstwissenschaft, Band IX (1886) ; Fr. Carta, Codici
corali e libri a stampa miniati della Biblioteca Nazionale di Milano, im XIII. Band der Indici e cataloghi, Roma 1891, P- 24 fr.;
sowie Carlo Frati, A proposito di Niccolö da Bologna, in der Rivista delle biblioteche IV (1893); Agincourt, Tafel LXXV.

2 Ich nenne als ein Beispiel dieser Art die drei libri dei Creditori dei Monte im Archivio di stato zu Bologna, ein
bezeichnetes Werk des Meisters aus den Jahren 1394 und 1395, mit sechs grossen Bildern der Stadtheiligen, während ein Werk
seiner ersten Manier, die Statuti dell'arte dei fabbri e delle arti dipendenti vom Jahre 1366 in der Biblioteca Malvezzi de' Me-
diä in Bologna, durch die Darstellungen der Werkstätten von Schmieden, Plattnern u. A. von culturhistorischem Interesse ist.
 
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