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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Die Illumination des Johann von Neumarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0066
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6o

Max Dvorak.

nisten,1 für Festlichkeiten das französische Ceremoniell.2 Wie einst Friedrich in Sicilien und Robert
der Weise in Neapel, suchte Karl die Finanzverwaltung zu ordnen und übertrug sie einem dazu be-
sonders geeigneten Verweser.3 Er liess eine Geschichte von Böhmen verfassen von dem vielbewan-
derten Genuesen Marignola, den er wohl für am berufensten dazu hielt. Dichter und Literaten,
Gelehrte und politische Phantasten kamen nach Prag, um hier Förderung oder Verständnis
zu suchen.

Doch am wichtigsten für die Zukunft wurde die Gründung einer Universität in Prag.
Wie die französische Weinrebe, wollte Karl auch das französische scholastische und das ita-
lienische rechtliche Studium nach Böhmen verpflanzt haben. Den Text der Gründungsurkunde
entlehnte man den Gründungsurkunden der Universitäten in Neapel und Salerno, die Orga-
nisation aus Paris und Bologna. Fremde Lehrer kamen nach Prag und ein grosser Theil des
Stromes aus deutschen Gebieten nach den französischen und italienischen Universitäten wurde

nun nach Böhmen geleitet. In den letzten Jahren der Regie-
rung Karls gab es in Prag gegen n.ooo Studenten, soviel bei-
läufig wie am Anfange des Jahrhunderts in Bologna.4

Die Cultur in Böhmen verlor vollkommen den localen
und einseitig receptiven Charakter.

Der neue Stil tritt zuerst in folgenden Handschriften auf:

1. Handschrift XIII. A. 12 im Prager Landesmuseum:
Liber viaticus des Johann von Neumarkt.

2. Missale eines Olmützer Bischofs in der Bibliothek des
Prager Domcapitels.

3. Handschrift XVI. D. i3 im Prager Landesmuseum:
das sogenannte Mariale Arnesti.

4. Handschrift XIII. C. 12 daselbst: das sogenannte Ora-
tionale Arnesti.

5. Handschrift 1182 der Wiener Hofbibliothek: ein
Evangeliar, im Jahre i368 von Johann von Troppau für

einen österreichischen Herzog gemalt.

6. Das Missale Nr. 10 in der Bibliothek der Pfarre zu St. Jakob in Brünn.

7. Das Brevier Nr. 140 in der Bibliothek des Domcapitels in Olmütz.
Es sind durchwegs Prachthandschriften und einzelne von ihnen, wie der Liber viaticus,

wie das Prager Missale oder das Wiener Evangelienbuch, gehören zu den glänzendsten
Schöpfungen der Miniaturmalerei. Die engste Verwandtschaft dieser Arbeiten in Bezug auf
den Stil, coloristische Eigenthümlichkeiten, Technik ist für jeden gleich evident. Von einer
mechanischen Verwendung fremder Motive kann keine Rede sein und mit der Ausschmückung
der geläufigen Marktproducte hängt der Stil dieser Arbeiten nur seinem ersten, beiweitem nicht
unmittelbaren Ursprünge nach zusammen.

Es ist oben gesagt worden, dass noch am Schlüsse des XIII. und im XIV. Jahrhundert der neue
französische und dann allgemeine Illuminirstil in einzelnen Werkstätten, in denen man Prachthand-
schriften malte, weiter entwickelt wurde zu einer technischen und stilistischen Vollkommenheit, die
mit der allgemeinen Ausschmückung nur sehr Weniges mehr gemeinsam hat. Es entstehen wie in der
monumentalen Malerei Schulen in weit prägnanterem Sinne, als es bei der allgemeinen territorialen
Ueberlieferung des XIII. Jahrhunderts der Fall war, Schulen, bei denen eine persönliche Ueberlieferung
der Errungenschaften und Werkstattraditionen eine nothwendige Voraussetzung ist.

Fig. 12. Miniatur und Randleiste
aus dem Liber viaticus, f. 261'.

1 Vgl. Burdach, Vom Mittelalter zur Reformation, S. 52 ff.

2 Vgl. Loserth, Die Krönungsordnung der Könige von Böhmen: Archiv für österr. Geschichte LIV, S. 9 ff.

3 Vgl. Noväcek, Detfich von Portic: Böhmische Musealzeitschrift 1890, S. 518.

4 Tomek, Geschichte der Prager Universität, S. 38.
 
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