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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Die Illumination des Johann von Neumarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0087
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Die Illuminatoren des Johann von Neumarkt.

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IV. Die Illuminatoren des Johann von Neumarkt.

Die böhmische Schule in der Miniaturmalerei hat ihren Ursprung in Avignon.
Es ist kaum nöthig, für diese kunstgeschichtliche Thatsache eine besondere geschichtliche Er-
klärung zu suchen. Man kann wohl nicht von einer Kunstbegeisterung Karls IV. reden; es wurde
jedoch der Kunst in seinen Einrichtungen jene Stelle zugewiesen, welche sie an den in so vieler Hin-
sicht vorbildlichen Höfen von Neapel, Paris und Avignon innehatte. Er lässt grosse Bauten aufführen
und sie glänzend schmücken; bei seinem frommen und mittelalterlichen Sinne wird dabei die Kirche
mehr bedacht als in Avignon. Die Künstler, die dabei verwendet werden, sind seine Hofkünstler. Es
sind nur ausnahmsweise einheimische Meister, deren alte locale Kunst für die neuen monumentalen
Aufgaben nicht ausreichte. So kommen fremde Künstler und fremde Kunstbestrebungen nach Böhmen.

Seinen Palast in Prag Hess Karl »ad instar domus regis Franciae« bauen; doch Näheres wissen
wir nicht darüber.1 Wohl aber über den Bau der Prager Kathedrale. Die Architekten von Narbonne
galten in jener Zeit sprichwörtlich als die besten.2 Karl berief den Architekten Mathias von Aras aus
Avignon nach Prag und für den Dombau wurde die Kathedrale von Narbonne als Vorbild benützt.3
In der Lieblingsschöpfung Karls, in Karlstein, malte ein Strassburger, dessen Kunst jedoch nordfran-
zösisch gewesen ist. In Italien bestellte Karl Tafelbilder, aus Venedig Hess er Mosaikmaler nach Prag
kommen.

So spiegeln sich die Errungenschaften der Kunst in den grossen südlichen und westlichen Kunst-
centren in Prag wieder, soweit es bei den immerhin zufälligen Kunstaufgaben und bei den provinzialen
Vorbedingungen möglich war.

Es ist selbstverständlich, dass dabei Avignon eine besonders wichtige Rolle spielte. Wir hörten
bereits, dass ein Prager Bischof jahrelang in Avignon weilte und nach seiner Rückkehr nicht nur in
Prag einen Palast bauen liess, bei dem Alles auf avignonesische Vorbilder hinweist, sondern direct auch
einen Architekten aus Avignon berufen hat. Aehnliches mochte sich dem Vorgange nach wiederholt
haben.

Zwischen Prag und Avignon gab es, man könnte sagen, ein immerwährendes Hin- und Herreisen.
Karl selbst kam zweimal nach Avignon, einmal, um seinen Lehrer Peter de Rossiers zu besuchen, das
zweite Mal als Kaiser mit grossem Gefolge. Auch Erzbischof Ernst von Pardubitz war zweimal in
Avignon. Studenten aus Böhmen, die etwas lernen, Prälaten, die etwas erreichen wollten, in Streit
Gerathene, die eine Entscheidung bei der Curie suchen, Professoren und Kanzleibeamte, Gesandte des
Kaisers und des Erzbischofes findet man fast immer in Avignon. Junge Cleriker treten in die päpst-
liche Kanzlei, bleiben da einige Jahre und kommen dann nach Prag, um beim kaiserlichen Hofe Ver-
wendung zu suchen.

In Avignon werden wie früher Bücher gekauft, einzelne Handschriften und ganze Bibliotheken.*
Bei diesen vielfachen Beziehungen ist selbst die Uebertragung von bestimmten Werkstattsüberliefe-
rungen in der Miniaturmalerei kaum etwas Auffallendes.

Dennoch wollen wir versuchen, die Sache concreter zu fassen.

Es frägt sich zunächst, ob sich über die Datirung und die Besteller unserer Handschriften etwas
Näheres feststellen lässt. Das Hauptwerk der Gruppe, der Liber viaticus im Landesmuseum, wurde
für Johann von Neumarkt in den Jahren i353—1364 gemalt. Es findet sich auf allen Seiten bis fol. 3o4

1 Die Nachricht ist in den Königsaaler Geschichtsquellen enthalten.

s Vgl. Bayle G., Introduction ä une etude sur l'ecole Avignonaise de peinture, in den Memoires de l'Academie de
Nimes 1896, p. 7.

3 Der Zusammenhang wurde von J. Hasak (Zeitschrift für Bauwesen, i8g3) festgestellt.

4 So hat der Dechant auf dem Vyäehrad "Wilhelm von Lestkov (1359—1369) einen Theil seiner Bibliothek, die
nach seinem Tode von Karl IV. für die Prager Universität angekauft wurde, in Avignon erworben: Tadra, Kanzleien und
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