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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Giehlow, Karl: Dürers Entwürfe für das Triumphrelief Kaiser Maximilians I. im Louvre: Eine Studie zur Entwicklungsgeschichte des Triumphzuges
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0056
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5o

Karl Giehlow.

adacti»1, ein Windwagen, wie Hohenwang übersetzt, abgebildet (vgl. Fig. i3), dessen Zahnräder in ihrer
Anordnung und Verbindung offenbar das Muster für die Mechanismen des maximilianischen Triumph-
zuges (Fig. 14)2 geliefert haben. Weiter mögen die anderen dort beschriebenen «machinae iirbium expug-
natrices» die Einbildungskraft der Künstler beeinflußt haben. Nahe genug lag es, gerade für die Wagen
mit den Kriegsdarstellungen sich im Valturio die Vorbilder zu suchen.

Uber dem triumphierenden Caesar hält auf dem Triumphzuge Mantegnas ein Siegesengel den Lor-
beerkranz; er fehlt selbstverständlich auf den Holzschnitten nicht; bald steht, bald sitzt er, oft den Kranz,
einen Lorbeerzweig oder eine Palme in der Hand. Außerdem aber personifiziert er Tugenden, so mit
der Säule die Tapferkeit, mit der Wage die Gerechtigkeit, mit dem Zirkel die Klugheit, mit den beiden
Kindern die Liebe, ferner mit dem Füllhorn den Begriff des Uberflusses. Auch die bezwungenen Länder
oder besiegten Feinde werden durch weibliche Gestalten, oft trotz der Flügel in zeitgenössischer Tracht,
allegorisiert. Auf die melancholische Haltung der trauernden Venezia mit dem Löwen wurde schon
längst die Aufmerksamkeit gelenkt, während die Figur mit den um eine Stange sich windenden Hopfen-
ranken den Sieg Maximilians über die an ihren Eisenhüten, Setztartschen und Ahlspießen kenntlichen
Böhmen verherrlicht. In der gleichen Weise deutet auf dem erwähnten Holzschnitte, Bl. 102, mit der
Eroberung einer Stadt das von einem Weibe gehaltene Tuch als Landesprodukt auf einen Ort des weit-
hin durch seine Tuchfabrikation berühmten Flamlandes.3

Nicht weniger Mühe als die kunstvollen Triebwerke dem Künstler, haben die spitzfindigen Alle-
gorien den Humanisten bereitet. Hier tritt der Einfluß Pirckheimers hervor durch die Verwendung hiero-
glyphischer Symbole, die bereits in den ersten Entwürfen zum «misteriumn der Ehrenpforte vorkommen.
Besonders charakteristisch ist die dort als Ideogramm für «justissimus» gebrauchte Wage, die sonst
nur zusammen mit dem Schwerte, auf dem Holzschnitt aber gleichfalls allein die Gerechtigkeit ver-
körpert.4

Zeitraubende Studien auf dem Gebiete der Allegorik wie der Mechanik waren vorausgegangen,
ehe der Kaiser auf der Rückreise von seiner Kur in Baden während des Linzer Aufenthaltes vom 5. De-
zember 15 17 bis 4. Jänner 1518 beschloß, die Miniaturen der «kriege und schlachten» so gründlich zu
ändern. Aus dem Beispiel des Pirckheimerschen Triumphwagens und anderer für Maximilian gefertigter
Holzschnittvorlagen ist zu folgern, daß ihm damals Entwürfe vorgelegt wurden, die ebenfalls aus kolorier-
ten Zeichnungen bestanden. Ihre Herstellung, zu der später noch die Skizzen für Pirckheimers Wagen
kamen, beanspruchte sicher vollauf die Zeit Dürers und seiner Werkstatt, so daß sich dadurch auch die
Heranziehung des nicht zu ihr gehörigen Hans von Kulmbach für die Skizze der «Laurea» erklärt.

Die Umwälzung, welche diese neuen Entwürfe für einen der wichtigsten Teile des Triumphzuges
bedeuteten, läßt aber keinen Zweifel, daß sich Stabius vor ihrer Anordnung des prinzipiellen Einver-
ständnisses Maximilians versichert haben wird. Aber wann? Eine Zusammenkunft des Hofhistorio-
graphen mit dem Kaiser fand zwischen dem 18. Juni und dem 3o. August statt; außerdem bezeugt Pirck-

1 Vgl. Roberti Valturii rei militaris libri, Veronae '483, lib. X, cap. Uli: Quae arma ad nocendum apta instrumentaque
bellica, quibus nominibus appellantur. Über den oben abgebildeten Wagen vgl. pag. U'Ti andere Belagerungsmaschinen U'Hv,
UHU, X'I, X'". Kopien der Holzschnitte Valturios sind auch der deutschen Übersetzung des Vegetius von Ludwig von
Hohenwang, Hain 15916, beigefügt. Dort, S. 8iv, wird der vorgenannte Wagen derart beschrieben: «Das ist ain windwagen,
unden mit redern angericht'. In dem Exemplar der Wiener Hofbibliothek befinden sich die Holzschnitte doppelt, einmal
koloriert. Maximilians Bibliothek (vgl. Gottlieb a. a. O., S. 106) besaß «Ludwigen von Hohenwanng kriegsbuech, in weiß
gepunden, von pogen plettern gedruckt» in zwei Exemplaren.

2 Fig. 14 ist ein Ausschnitt aus Bl. 95 der Schestagschen Triumphzugausgabe. Auf der Wand ist eine Szene aus dem
österreichischen Kriege abgebildet; vgl. Campbell Dodgson a. a. O., p. 400.

3 Vgl. über die Venezia Thausing a. a. O., Band II, S. 146; über die böhmische Bewaffnung Fr. Dörnhöffer, Ein Zyklus
von Federzeichnungen mit Darstellungen von Kriegen und Jagden Maximilians I., im Jahrbuch, Band XVIII (Wien 1897), S. 7 ff.
Maximilian ließ nach der böhmischen Schlacht 1504 eine Trophäe aus den dort erbeuteten Waffen in der Ulrichskirche auf-
hangen. — Die Bedeutung des Tuches auf Bl. 102 ist wichtig für die Erklärung der Ideogramme auf Dürers «Melencoiia» ;
vgl. den im Erscheinen begriffenen erweiterten Sonderabdruck des Aufsatzes: Dürers «Melencolia I und der maximilianische
Humanistenkreis.»

4 Vgl. den Sonderabdruck: Dürers «Melencolia», Kap. VIII, S. 102.
 
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