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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Pollak, Oskar: Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520-1600
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0118
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Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520—1600.

I I I

war das Dach eingedeckt und man spricht schon von dem Schmuck dieses Daches, und zwar von «drei
turmlen» (Dachreitern) mit vergoldeten Knäufen und Kreuzen, die daraufgesetzt werden sollten. Ferner
sollte auch dieses Dach, wie später das des Belvederes, in roter und weißer Ölfarbe (Landesfarbe!) in
Streifen angestrichen werden und auf die Langseite sollte je ein riesiger böhmischer Löwe gemalt
werden.1 Da dasselbe Schicksal auch den später errichteten Domturm erreichte,2 so mag das Gesamtbild
des Hradschin nicht wenig resolut-farbig gewirkt haben. Jedenfalls lag der satte, aber gedämpfte
herrliche Ton der Kupferpatina, der uns heute so entzückt, nicht in den Intentionen der Erbauer.

Nachdem die notwendigste Arbeit — der Schutz
der Wölbung vor Witterungsunbill — vollendet war,
schritt Hans Tirol, königlicher Oberbaumeister in
Prag, an die Restaurierung der Strebepfeiler, Fialen
und Brüstungen, an die Neueindeckung der Seiten-
kapellen sowie endlich an die Restaurierung und
Neuherrichtung, respektive Ausmalung der einzelnen
Kapellen. «Es wird die ganz /drehen inn und auszen
neu gemacht», berichtet er am 21. Oktober 1552.
Diese Arbeiten dauerten bis zum Jahre 1555.3 Im Juli
des Jahres 1553 beginnen endlich die Verhandlungen
wegen des Baues einer großartigen Orgel,4 die aber
durch die Saumseligkeit des Orgelbauers auf die
lange Bank geschoben wurden und erst spät zum Ab-
schluß kamen. Dagegen ging man im Jahre 1557
unter Wolmuets Leitung daran, die Errichtung eines
monumentalen Orgelchors (in den Akten gewöhn-
lich «orgelfuesz» genannt) in Angriff zu nehmen.5
Dieser Gedanke, die provisorische westliche Abschluß-
mauer des Domchors durch die Errichtung einer
Orgelbühne zu einer definitiven zu machen, bedeutet
den endgiltigen Verzicht auf einen Ausbau der Kirche.

Im Jahre 1556 scheint eine Art Konkurrenz für
diese Arbeit ausgeschrieben worden zu sein. Denn
am 3i. Jänner 1557 schreibt König Ferdinand an
Erzherzog Ferdinand, er hätte den Entwurf des
welschen Steinmetzen Johann Campion erhalten,
das sei aber eine «grobe barbarishe ungstaltsame
arbait und nit kirchish gemacht», die dem «gewaltigen herlichen kunstlichen Instrument, so darauf
khumen unerdeU, nicht entspräche. Der König verwirft daher diesen Entwurf. Dagegen hätte, schreibt
er weiter, «maister Bonifaci ain andere faezada, so er selbst gemacht, wie diser orgelfuesz zum kunst-
lihisten, zierlihisten und mit allen dingen kirchish gemacht werden möchte, für gebracht, die uns dan vill
taugliher und kunstliher ansieht». Wolmut hätte auch schon Baumaterial und deutsche Werkleute,
«die sich auf di kirhengepeu und monier beser als di Welshen versteen», zusammengebracht. Der König
erklärt sich mit allem einverstanden und verlangt, Wolmut solle den Bau laut Entwurf und der bei-
liegenden Beschreibung, die dem heutigen Bau (Fig. 20)6 entspricht, ehestens durchführen. Die Arbeit

Fig. 28. Portal.
Ausschnitt aus Serlio, Libro extraordinario.

1 Reg. 4143, 6110, 6113. 2 Reg. 4340. 3 Reg. 6146, 4204, 4240. 4 Reg. 6149 fr.

5 Reg. 4256. — Danach ist die allgemein verbreitete, auch von Podlaha-Hilhert, i, c, p. 05 aufgenommene Ansicht,
Wolmuet und Tirol seien die Meister dieses Baues, zu korrigieren; denn, wie wir früher (Seite 96) gehört haben, war
Tirol nur bis zum September 1556 Leiter der kaiserlichen Bauten am Hradschin.

6 Vgl. auch die vortrefflichen architektonischen Aufnahmen in Podlaha-Hilberts mehrfach zitierter Dommonographie
(Fig. 123—126 und Tafel IX), wiedergegeben in unseren Figg. 22—24.

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