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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 17.1902

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Swarzenski, Georg: Mittelalterliche Kopien einer antiken medizinischen Bilderhandschrift
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https://doi.org/10.11588/diglit.47179#0061
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Swarzenski, Mittelalterliche Kopien einer antiken medizinischen Bilderhandschrift.

1L
eigene Geschichte hat. Das interessanteste Bild dieser Art findet sich in dem
jüngeren Florentiner Exemplar, als Illustration zur '»herba immolum«., die nach
Homers Zeugnis von Merkur entdeckt sei! In der Mitte die sitzende Gestalt des
»Homerus auctor«, das offene Buch in der linken, die rechte redend erhoben, neben
ihm auf der einen Seite »Archiater« stehend mit Schriftrolle, auf der anderen
Merkur, nackt, beflügelt, die betreffende Pflanze in den Händen haltend. Einfachere
erzählende Bilder dieser Art bieten ferner Darstellungen des Scolapius als Ent-
deckers der herba Vettonica, indem er schreitend die wundersame Pflanze pflückt
oder mit dem Messer schneidet. Als besonders merkwürdig verweise ich auf die
Titelbilder zu der Precatio terrae und Precatio herbarum. Bei jener sehen wir den
Arzt oder Autor halb schreitend, halb knieend
vor der rechts sitzenden Tellus, — einer schönen
weiblichen Gestalt, mit gut drapiertem Gewände,
zu ihren Ftifsen die Schlange23, in ihrer Rechten
das Füllhorn. Im unteren Bildfelde der liegende
Wassergott, in üblicher Charakterisierung. Der
Inhalt des Bildes ergibt sich aus dem Texte
der Precatio terrae: Die Erde vom Autor an¬
gerufen als die
Dea sancta tell/us rerum uaturae parens
quae cuncta generas et regeneras
Zweck der Anrufung:
hoc quod peto ate, diva, mihi praesta volens:
herbas quascumque generat tiia maiestas
sahitis causa tribtiis cunctis gentibus.
In diesem Bilde wird die antike, atmosphä¬
rische Stimmung des Ganzen am besten er-
reicht (s. die Abbildung). Seine Fortsetzung Precatio terrae. Cod. Vind. 93. Fol. 30.
findet der Inhalt dieses Bildes in dem Titelbilde
der nun folgenden Precatio omnium herbarum: Die gleiche Persönlichkeit steht jetzt
inmitten verschiedener Pflanzen, zu denen sie, wie bittend, die Arme erhebt. Nach
dem Inhalt des Textes bittet und beschwört sie die Pflanzen, den Menschen zu
helfen, da die Erde, ihre Mutter, es bereits zugesagt habe.
Eine äufserst merkwürdige, künstlerische Gepflogenheit, für die mir Parallelen
weder aus den Denkmälern noch aus den Schriftquellen bisher bekannt sind, ent-


23) Dies vielleicht wichtig für die Datierung, da
die frühere Antike und noch Sarkophagreliefs
selbst des II. bis III. Jahrh. Ge-Tellus ohne
Schlange bilden. Auf dem schönen Wiener
Sarkophag mit dem Raub der Proserpina (Bau¬

meister, Abb. 461) gehört die Schlange zu Enke-
lados, und nicht zu Tellus. Auf dem Sarko¬
phag mit dem Lykurgosmythos (Baumeister II,
837) Gaia mit Schlange am Hals wahrscheinlich,
aber nicht sicher.
 
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