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Graef, Antioclios Sotcr.

ist, um die Stirn stark zu beschatten, Falten auf der Stirn, plastische Angabe der
Augenbrauen, eingefallene Wangen, reich modellierte Muskulatur um den Mund, und
doch wirkt das ganze akademisch und leblos. Man könnte einwenden, der Münchener
Kopf sei nur eine flaue Kopie, doch bliebe der Unterschied bestehen: wenige, aber
stark wirkende Formen auf der Münze, viele und ganz anders wirkende beim
Marmorkopf. Er wirkt unschlicht, übertrieben, etwas schematisch, und wenn man
den Eindruck, den die Mundfalten in der Ökonomie des Ganzen machen, mit dem
der Augen vergleicht, möchte man fast sagen, unorganisch.
Brunn wollte den Kopf in die zweite Hälfte des zweiten Jahrhunderts vor
Chr. setzen, Furtwängler (der in der Beschreibung der Glyptothek Nr. 309 auch die
Deutung auf Antiochos bestreitet) setzt ihn in die letzte Zeit der römischen Republik.
Beide Ansätze beruhen auf der deutlich erkennbaren Beziehung zur hellenistischen,
besonders der pergamenischen Kunst, die auch Wolters empfand. In der That hat
der Kopf seine nächsten Analogien unter den Galliertypen. Sie umfassen Werke
recht verschiedener Zeit und Kunstweise, aber keines ist älter als die ausgebildete
pergamenische Kunst. Nach dem heutigen Stande unserer Kenntnis läfst sich mit
Sicherheit behaupten, dafs der Münchener Kopf frühestens ein halbes Jahrhundert
nach Antiochos, wahrscheinlich aber noch später entstanden sein mufs4.
Es mögen nun die Münzbilder etwas genauer betrachtet werden5. Seleucid
Kings, Taf. III, 2 und 3, die ein jugendlicheres Bild des Königs geben, sollen aufser
Betracht bleiben, aber auch die übrigen erstrecken sich noch über verschiedene
Lebensalter und sind verschieden. Doch sind bei allen übereinstimmend in dem
fülligen Kopfe Augen und Mund Träger eines wirksamen eindeutigen Ausdrucks.
Die Augen blicken aus tiefen Höhlen, die durch mächtiges Vordringen des
Knochens seitlich über dem Auge in ihrer Form und Wirkung bestimmt sind.
— Man vergleiche noch einmal, wie wenig ausgebildet unter den dicken Augen-
brauen der Knochen bei dem Münchener Kopfe ist. — Ganz seltsam ist nun die
Mundbildung auf der Münze. Das Übereinstimmende und Bezeichnende ist die lange
und ganz gerade Oberlippe. Wenn man bedenkt, wie sehr eine kurze und lebhaft
geschwungene Oberlippe in den Traditionen griechischer Kunst lag, so wird man
ermessen, wie charakteristisch für den Kopf des Antiochos diese Mundbildung ge-
wesen sein mufs. Mit dieser Form hängt zusammen, dafs die Lippen ganz das
Gegenteil von voll oder gar aufgeworfen sind, sondern schmal und angezogen.
Und endlich mufs die Unterlippe dei' Oberlippe entsprechen: ihr unterer Teil ist
stark ausgebildet, um den oberen fest gegen die Oberlippe zu schliefsen. Das

4) Der etwa auftauchende Einwand, das Bildnis sei
in späterem Geschmacke umgearbeitet, darf hier
wohl unberücksichtigt bleiben.
5) Vgl. Imhoof-Blumer, Porträtköpfe, Taf. III, 9 u.
10, Monnaies grccques, Taf. H, 10 u. 11, Babelon,
Les rois de Syrie, Taf. IV, 9 ff., Friedländer-Sallet,
das Kgl. Münzkabinett, Taf. V No. 404 (stark

entstellt), Gardner, Types, Taf. XIV, 29. Catalogue
of Gr eek Coins. Seleucid Kings of Syria, Taf. III,
ferner die Berliner Exemplare bei Wolters Arch.
Ztg. 1884, Taf. 12 und auf unserer Taf. 3.
Bei dem Studium der Exemplare des Berliner
Cabinets durfte ich mich der freundlichen Be-
lehrung von H. Dressel erfreuen.
 
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