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H. Thiersch, Die alexandrinische Königsnekropole.

Der Einfluß alexandrinischer Kultur und Kunst auf die westliche Strecke der
afrikanischen Mittelmeerküste ist also unbestreitbar, seine Intensität am östlichsten
Ende der Tripolis, der rein hellenistischen Kyrenaika zunächst, nur natürlich.
Ebenda steht auch das obige Monument. Μ. de Mathuisieulx hat es abgebildet
a. a. Ο. pl. IV, mit Grundriß auf pl. VI, 3; auch auf der Ansicht pl. VII, 2 ist es
noch ganz links zu sehen neben jüngeren Varianten. Der französische Bericht geht
auf die kunsthistorischen Fragen nicht ein und ist auch in der Beschreibung so
knapp, daß man mit manchen Fragen erst noch ausführlichere Untersuchungen an
Ort und Stelle abwarten muß.
In den Hauptsachen aber ist hier eine Anlage deutlich, wie wir sie ähnlich auch
für das Soma des Philadelphos vermuten möchten: auf einem hohen Podiumunter-
bau, zu dem vorne zwischenWangen eine die volle Fassadenbreite einnehmende Frei-
treppe von sechs Stufen hinaufführt, oben eine ringsum von weitgestellter Kolonnade
umgebene Cella mit der Tür in der Achse des mittleren Interkolumniums. Die
Zierformen im einzelnen sind äußerst bizarr und afrikanisch ungewöhnlich, so die
Säulenbasen und Kapitelle, im Gebälk der ionische Zahnschnitt über dem dorischen
Fries, darüber ein horizontal abschließendes Kranzgesims. Die Grundform ist ein
breit gelagertes Rechteck. Auch Μ. de Mathuisieulx war das Viereckig-Massige
aufgefallen, »qui rapelle un peu les constructions egyptiennes« (S. 23). Er stellt
es selbst an den Anfang der ganzen Monumentengruppe, sicherlich nicht nur, weil
es zu der südöstlichsten Nekropole dort gehört, sondern wohl auch darum, weil es
weitaus das altertümlichste Stück ist. Außer den schweren Verhältnissen sprechen
für diese Ansetzung die älteren, das Korinthische vermeidenden Stilformen: dorischer
Triglyphenfries mit Rosettenfüllung, Häufung des ionischen Zahnschnitts, ionische
(allerdings stark deformierte) Kapitelle, gerade Architrave, einfache, akanthus- und
rankenlose Gesimse; endlich die relative Güte der figürlichen Reliefs an den
Wänden. Eine lateinische Inschrift über der Eingangstür nennt zwei Libyer, Μ. Nasif
und Μ. Mathlich, die dies Grabmal ihrer Mutter errichtet hätten (S. 24).
Wie sehr dieser Bau in Alexandria einst wirklich vorhandenen Architekturen
und offenbar berühmten verwandt ist, beweist der fälschlich unter der Bezeichnung
»Altar des Kaisareions« gehende Prägetypus Cat. of Coins in the Brit. Mus. Alexandria
pl. 29, n. 882, 1200ff., dessen wirkliche Bedeutung immer noch nicht gefunden ist.
Das alexandrinische Arsinoeion könnte man sich, abgesehen von der oben be-
sprochenen Dachform (mit Tonne), so vorstellen (innen Statue der apotheosierten
Königin, oben auf der Dachterrasse großesFruchtopfer mit [sepulkralen] Pinienzapfen ?).
Man kann beobachten, wie später in Ghirza selbst noch eine jüngere
Geschmackswandlung diese Grundform umgestaltet und so jene schlanken Türme
vorbereitet werden, die sich in den mehr nordwestlichen Nekropolen daran an-
schließen. An die Stelle des geraden Architraves tritt der Bogen, an Stelle des
Sockels ein schließlich ganz treppenloses, immer höheres Untergeschoß, an Stelle
der Cella ein stelenartiger Mittelpfeiler, an Stelle des flachen Daches eine obelisken-
artig schlanke Pyramide, an Stelle des freistehenden, immer mehr reduzierten Säulen-
kranzes treten einfache Eckpilaster von ausnahmslos korinthischem Kompositstil.
 
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