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G. Habich, Ein neuer Steinschneider.

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das Ω zeigt die echt hellenistische Kleinheit und Gedrücktheit, das o ist nur durch
einen Punkt markiert, ebenso das P nur mit einem oben in einen dicken Punkt aus-
laufenden Strich angegeben. Immerhin lassen diese Letternformen einen Ansatz bis
in das III. Jahrhundert v. Chr. zu, und auf diese Zeit deutet auch die Form έπόει,
die wenigstens auf Bildhauerinschriften im II. und I. vorchristlichen Jahrhundert
recht selten wird (vgl. Löwy, S. XIV).
Meister Kerdon —- der Name ist (wie andere dem Tierreich entlehnte Eigen-
namen) auf attischen Inschriften und sonst häufig 2) — gehört eng zu der Gruppe der
voraugusteischen Steinschneider Pheidias, Nikandros und Agathopus (vgl. Bd. III
209), die gleichfalls' große, stark konvexe Steine bevorzugen und regelmäßig ihre
Signatur horizontal in zwei Zeilen ins Feld neben das Bild zu setzen pflegen. Die
nächste epigraphische Parallele bildet wohl die Inschrift des Nikandros (Bd. III
211). Singulär ist nur die Abtrennung des N in Kerdon, wenigstens auf Gemmen
scheint dieses Abbrechen in der Zeile ohne Beispiel 3), um so häufiger aber kommt
dergleichen in der den Gemmen nächststehenden Monumentenklasse, auf Münzen, vor 4).
Die Form der Paste, ihre stark konvexe Bildseite wie ihre Größe sind charak-
teristische Merkmale für eine Gruppe hellenistischer Gemmen, die allerdings nur
selten diese Sorgfalt und Ausführlichkeit der Arbeit zeigen. In hellenistische Zeit
weist auch die Figur. Ihre Stellung, die keineswegs so ungewohnt ist, wie Furt-
wängler A. G. II137 annahm, sondern bei Athena auf Reliefs und Vasen in verschiedener
Verbindung und in mehreren Variationen vorkommt 5), ist ein klassisches Motiv
der Alexanderepoche. Die Figur bildet ein vollkommenes Seitenstück zu dem isth-
mischen Poseidon des Lysipp. Sie stellt geradezu eine Übertragung des Aktmotivs
auf die Draperiefigur dar, die vom Gesichtspunkt des plastischen Aufbaus ein nicht
weniger dankbares und reiches Bild bietet als jenes. Eine vollständige Überein-
stimmung in der Linienführung zeigt das Münzbild der Tetradrachme des Deme-
trios Poliorketes, die das berühmte Kolossalbildwerk in der linken Seitenansicht
wiedergibt6).
Zeitlich ist diese Athena vor Lysipp schwer denkbar. Denn wenn auch die
ältere Annahme, das Motiv des aufgestützten Fußes sei Lysippische Erfindung, im
Hinblick auf den Skopasischen Apollo Smintheus nicht mehr haltbar ist, wenn ferner
auch ohne weiteres einleuchtet, daß eine Kunst, die Bewegungsprobleme wie bei-
spielsweise die der Niobiden bereits plastisch gelöst hatte, in dem Motiv des hoch-
gesetzten Fußes keine wirkliche Schwierigkeit mehr finden konnte, so ist die hier
in Rede stehende Komposition, die mit dem aufgestützten Fuß den hoch aufgestützten
Arm der anderen Körperseite verbindet, als formale Aufgabe neu, vom Apollo
Smintheus, wie ihn die Münzen von Apollonia, Alexandria usw. zeigen, wesentlich
verschieden und ihre Lösung eine selbständige zu nennen. Im übrigen ist die der

Cossutius Kerdon s. Anc. marbles II. 33, 43.
3) Die Agathemeros-Gemme (Furtwängler, Taf. L 2)
bietet keine Analogie. Der Name bricht nicht ab,
sondern läuft nur intermittierend gradlinig weiter.
5) Lange, Motiv des aufgestützten Fußes 22.

Dagegen scheint mir der Stein mit ^Qy (Furt-
wängler, Taf. XLIX 16) mehr als verdächtig.
4) Weil, Künstlerinschriften auf Münzen 7, 8 und 17.
6) Head, Historia nummorum 202 Abb. 144.
 
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