A, Frickenhaus, Hageladas.
33
Was aber ergibt sich für das Original, das wir aus der Gemme und der Atheni-
schen Statuette erschließen? Daß es ein Kultbild war, scheint eine auf der Gemme
hinzugefügte Säule zu beweisen T). Andrerseits stammt die Statuette aus Athen (vgl.
auch die Madrider Statuette Nr. 3), wo also auch ihr Original anzunehmen ist. End-
lich scheint letzteres in einem Heiligtum gestanden zu haben, das in der römischen
Zeit nicht mehr existierte oder nicht berühmt war; wenigstens kennen die athenischen
Münzen der Kaiserzeit zwar mehrere andere Heraklesbilder, dieses aber nicht (vgl.
J. H. St. VIII 1887, 42—44. Taf. DDL XI—XIII). Zu einer genaueren Bestimmung
aber führt der spezielle Fundort der Statuette. Sie wurde neben dem sog. Dionysion
sv kitivaic am Westabhang der Akropolis gefunden; von diesem Heiligtum aber soll
demnächst (Ath. Mitt. XXXVI 1911) wahrscheinlich gemacht werden, daß es in Wirk-
lichkeit mit dem Herakleion von Melite zu identifizieren ist, d. h. jenem Herakleion,
dessen Kultbild um 428 von dem jüngeren Hageladas geschaffen wurde 2). Indem
wir diese Hypothese hier als bewiesen voraussetzen, liegt es sehr nahe anzunehmen,
daß die kleine Statuette ein Weihgeschenk im Typus des Kultbildes darstellt, also ihr
Original mit dem Alexikakos des Hageladas zu identifizieren ist. Damit wird zugleich
erklärt, warum der Typus der Gemme und der Statuette auf den Münzen der Kaiser-
zeit nicht mehr erscheint; denn die Ruinen und das Schweigen der schriftlichen Über-
lieferung beweisen einheitlich, daß das Herakleion von Melite damals nicht mehr exi-
stierte. Daß endlich die Statuette, deren Kopftypus wir nicht kennen, den Körper in
polykletischer Weise bildet, hat Watzinger schon hervorgehoben; ihr Original kann
also sehr wohl von einem Zeit- und Schulgenossen Polyklets herrühren. Eine persön-
liche Art des Hageladas läßt sich bisher nicht erkennen; aber der Alexikakos wird
wegen seines Standortes dazu beigetragen haben, den Athenern den allgemeinen Cha-
rakter polykletischer Kunst zu vermitteln. Was endlich die Größe der originalen
Bronze betrifft, so war sie natürlich größer als die winzige, einst nur etwa 35 cm hohe
Replik aus Athen. Aber da wir sonst nur Statuetten des Hageladas kennen (vgl.
Abschnitt II Ende) und das Herakleion von Melite sich als ein ganz ärmliches, •alter-
tümliches Heiligtum herausgestellt hat, so wird auch der Alexikakos die Lebensgröße
nicht erreicht haben; insbesondere findet sich in dem Heiligtum kein Postament, wie
es eine große Statue erfordert.
Zum Schluß machen wir uns klar, daß der ältere Hageladas wieder vollkommen
zum Schatten geworden ist; von keinem seiner Werke haben wir auch nur die geringste
Vorstellung. Denn diejenigen, aus denen man bisher etwas für seine Kunst folgerte,
gehören ihm gar nicht; wir können also jetzt nicht mehr von ihm sagen, daß er sich
für den bewegten nackten Körper interessiert und daß er Götter wie Zeus und Herakles
J) Die bekränzte Säule ist vermutlich die Abkür-
zung des für den Herakleskult charakteristischen
Heroon, d. h. jenes viersäuligen Baues, der auf
vielen Reliefs und Vasen neben Herakles darge-
stellt und über den gleichzeitig in den Ath. Mitt.
XXXVI 1911 gehandelt wird.
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXVI.
2) Da Watzinger (Ath. Mitt. XXIX 1904, 241)
diese Möglichkeit überhaupt nicht bedachte und
daher eine Verschleppung der Statuette an-
nahm, so verlieren seine sämtlichen Folgerun-
gen ihr Fundament, bedürfen also keiner Wider-
legung.
3
33
Was aber ergibt sich für das Original, das wir aus der Gemme und der Atheni-
schen Statuette erschließen? Daß es ein Kultbild war, scheint eine auf der Gemme
hinzugefügte Säule zu beweisen T). Andrerseits stammt die Statuette aus Athen (vgl.
auch die Madrider Statuette Nr. 3), wo also auch ihr Original anzunehmen ist. End-
lich scheint letzteres in einem Heiligtum gestanden zu haben, das in der römischen
Zeit nicht mehr existierte oder nicht berühmt war; wenigstens kennen die athenischen
Münzen der Kaiserzeit zwar mehrere andere Heraklesbilder, dieses aber nicht (vgl.
J. H. St. VIII 1887, 42—44. Taf. DDL XI—XIII). Zu einer genaueren Bestimmung
aber führt der spezielle Fundort der Statuette. Sie wurde neben dem sog. Dionysion
sv kitivaic am Westabhang der Akropolis gefunden; von diesem Heiligtum aber soll
demnächst (Ath. Mitt. XXXVI 1911) wahrscheinlich gemacht werden, daß es in Wirk-
lichkeit mit dem Herakleion von Melite zu identifizieren ist, d. h. jenem Herakleion,
dessen Kultbild um 428 von dem jüngeren Hageladas geschaffen wurde 2). Indem
wir diese Hypothese hier als bewiesen voraussetzen, liegt es sehr nahe anzunehmen,
daß die kleine Statuette ein Weihgeschenk im Typus des Kultbildes darstellt, also ihr
Original mit dem Alexikakos des Hageladas zu identifizieren ist. Damit wird zugleich
erklärt, warum der Typus der Gemme und der Statuette auf den Münzen der Kaiser-
zeit nicht mehr erscheint; denn die Ruinen und das Schweigen der schriftlichen Über-
lieferung beweisen einheitlich, daß das Herakleion von Melite damals nicht mehr exi-
stierte. Daß endlich die Statuette, deren Kopftypus wir nicht kennen, den Körper in
polykletischer Weise bildet, hat Watzinger schon hervorgehoben; ihr Original kann
also sehr wohl von einem Zeit- und Schulgenossen Polyklets herrühren. Eine persön-
liche Art des Hageladas läßt sich bisher nicht erkennen; aber der Alexikakos wird
wegen seines Standortes dazu beigetragen haben, den Athenern den allgemeinen Cha-
rakter polykletischer Kunst zu vermitteln. Was endlich die Größe der originalen
Bronze betrifft, so war sie natürlich größer als die winzige, einst nur etwa 35 cm hohe
Replik aus Athen. Aber da wir sonst nur Statuetten des Hageladas kennen (vgl.
Abschnitt II Ende) und das Herakleion von Melite sich als ein ganz ärmliches, •alter-
tümliches Heiligtum herausgestellt hat, so wird auch der Alexikakos die Lebensgröße
nicht erreicht haben; insbesondere findet sich in dem Heiligtum kein Postament, wie
es eine große Statue erfordert.
Zum Schluß machen wir uns klar, daß der ältere Hageladas wieder vollkommen
zum Schatten geworden ist; von keinem seiner Werke haben wir auch nur die geringste
Vorstellung. Denn diejenigen, aus denen man bisher etwas für seine Kunst folgerte,
gehören ihm gar nicht; wir können also jetzt nicht mehr von ihm sagen, daß er sich
für den bewegten nackten Körper interessiert und daß er Götter wie Zeus und Herakles
J) Die bekränzte Säule ist vermutlich die Abkür-
zung des für den Herakleskult charakteristischen
Heroon, d. h. jenes viersäuligen Baues, der auf
vielen Reliefs und Vasen neben Herakles darge-
stellt und über den gleichzeitig in den Ath. Mitt.
XXXVI 1911 gehandelt wird.
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXVI.
2) Da Watzinger (Ath. Mitt. XXIX 1904, 241)
diese Möglichkeit überhaupt nicht bedachte und
daher eine Verschleppung der Statuette an-
nahm, so verlieren seine sämtlichen Folgerun-
gen ihr Fundament, bedürfen also keiner Wider-
legung.
3