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Deutsches Archäologisches Institut [Editor]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Editor]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 31.1916

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Körte, Gustav: Zu den Friesen von Gjölbaschi, der "ionischen" Kunst und Polygnot
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https://doi.org/10.11588/diglit.44517#0281
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2^8 G. Körte, Zu den Friesen von Gjölbaschi, der »ionischen« Kunst und Polygnot.

den vom Künstler wiedergegebenen Zeitpunkt der Handlung genau zu bezeichnen
bestrebt ist, So wird man auch in unserem Falle annehmen müssen, daß er das Per-
fektum in Verbindung mit ήδη mit Bedacht gewählt habe. Wir müssen schließen,
daß Polygnot die Szene nach dem Freiermorde gemalt habe, und niemand wird
behaupten können, daß eine solche Darstellung aus dem Rahmen seiner Kunst hin-
ausfalle. Zur Andeutung der Nachtzeit genügte — wie in Gjölbaschi — (s. unten S. 259)
eine Fackel in der Hand des Telemach oder der Eurykleia.
ES ist also nicht bezeugt, daß Polygnot eine Szene wie die in Gjölbaschi dar-
geStellte gemalt habe. Sehen wir weiter zu, ob diese Darstellung, wie ebenfalls all-
gemein angenommen wird, auf der Schilderung in der Odyssee beruhen kann. Sind
die Abweichungen von dieser wirklich so gering und nebensächlich, wie Benndorf
meint? Gewiß, daß die Freier auf Klinen gelagert sind, Statt zu sitzen, ist eine rein
künstlerische AbAveichung und nicht anders zu beurteilen wie der Gebrauch des
Viergespannes in Darstellungen aus dem troischen Kriege, schon Seit dem VI. Jahr-
hundert. Auch daß ein im Knabenalter stehender WeinSchenk da ist, der eben
für den Griechen des V. Jahrhunderts notwendig zum Gelage gehört, und daß er,
ungehindert von OdysseuS und Telemach, durch die Selbstgeöffnete Eingangstür
des Megaron entweicht, darf als freie Erfindung des Künstlers, als »künstlerischer
Anachronismus« gelten und könnte an sich Seine Abhängigkeit von der Odyssee,
wo Melanthios das Schcnkenamt versieht, nicht in Frage stellen1). Endlich kann
eS kaum als ausschlaggebend gegen die Abhängigkeit von der OdySsee geltend gemacht
werden, daß Telemach mit dem Schwert bewaffnet dem Vater zur Seite steht,
statt mit der Lanze (χ 92). Denn auch mir erscheint Benndorfs Bemerkung (S. 97)
mindestens wahrscheinlich, daß der Künstler die Gruppe von Vater und Sohn
nach der der Tyrannenmörder gestaltet habe.
Von ganz anderem Gewicht ist dagegen der Umstand, daß die Freier gänz-
lich waffenlos Sind und somit nicht an einen Angriff denken können, sondern
nur an Deckung gegen die Pfeile des OdysseuS. DaS streitet gegen einen Grundzug
der epischen Schilderung. Dem Dichter kommt es sichtlich darauf an, OdySSeus’
Rache an den Freiern nicht als einen Mord von Wehrlosen darzustellen, Sondern
als einen Kampf Mann gegen Mann, in welchem Odysseus und Telemach (unter
göttlicher Hilfe) als tapfere Krieger den Sieg erringen.

Nicht glücklich hat Robert (Hermes XXV [1890]
S. 429 f.) die von Benndorf mit Recht aufgegebene
Ansicht neu zu begründen versucht, daß in diesem
Knaben der Ziegenhirt Melanthios zu erkennen
sei, im Begriffe, für die Freier Waffen zu holen.
Die 6ρ5ο&ύρη, eine nahe der Eingangstür, im
Bereiche des Odysseus und seiner Genossen, be-
legene Pforte, welche in die λαύρη und durch
diese ins Freie führt, benutzt übrigens auch Me-
lanthios nicht. Sie war ja (χ 129) auf Odysseus’
Geheiß von Eumaios besetzt, eben um das Ent-
kommen der Freier zu verhindern. Melanthios

selbst weist (χ 135) den Vorschlag des Ageleos
(131), den Zugang zu ihr zu erzwingen, zurück,
als unausführbar, und nennt das Entkommen
durch die λαύρη unmöglich. Zu dem im Oberstock
gelegenen Thalamos, wohin die Waffen geschafft
sind, gelangt er durch einen anderen Zugang,
der im hinteren Teil des Saales, der Sperrung
durch Odysseus und die Seinen entzogen, zu
denken ist. Näheres darüber sagt der Dichter
nicht, nimmt aber an, daß auch Telemach und
die beiden Hirten von der Eingangsseite aus dahin
gelangen können.
 
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